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Missbrauch: Westfälische Kirche will alle Personalakten überprüfen

Die Evangelische Kirche von Westfalen wird nach den Worten ihres Theologischen Vizepräsidenten Ulf Schlüter alle ihr vorliegenden Personalakten auf Verdachtsmomente für Fälle von sexualisierter Gewalt prüfen. „Wo sich Hinweise finden, werden wir in Aufarbeitungsprozesse einsteigen“, kündigte Schlüter am Donnerstagabend in der WDR-Sendung „Stadtgespräch“ in Bielefeld an. Die Auseinandersetzung mit der ForuM-Studie über Missbrauch werde die Strukturen der evangelischen Kirche verändern.

Ende Januar hatte ein von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragter Forschungsverbund (ForuM) seine Studie zu sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie vorgelegt. Ermittelt wurden mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte.

Schlüter räumte in der Live-Sendung aus der Bielefelder Jugendkirche „Luca“ ein, das Thema sexualisierte Gewalt sei in der evangelischen Kirche erst seit 2018 „aktiv angefasst“ worden. In den letzten Jahren sei aber vieles in Gang gekommen. So müssten auf Basis eines Kirchengesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt von 2020 in der westfälischen Kirche alle Verdachtsmomente für einen möglichen Missbrauch verpflichtend gemeldet werden. Die Kirche informiere ihrerseits regelmäßig die Staatsanwaltschaften.

Bis Ende 2024 müssten zudem in allen kirchlichen Einrichtungen, Gemeinden und Kirchenkreisen Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt vorliegen, sagte der Theologe. Bisher seien in der westfälischen Landeskirche rund 18.000 Menschen zu dem Thema geschult worden, das werde fortgesetzt. Die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt gehöre ins „ganze System“ der Kirche und werde unter anderem auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitern platziert, betonte Schlüter.

Der Theologe rief die Gemeinden und Einrichtungen auf, bei Bekanntwerden von Verdachtsfällen sofort die Kommunikation mit den von Übergriffen Betroffenen zu suchen. Das sei in der Vergangenheit oft nicht gemacht worden, das müsse die Kirche aber lernen.

Die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, rief die Kirchen auf, das Erfahrungswissen von Betroffenen zu nutzen, deren Kompetenz bislang nicht ausreichend wahrgenommen werde. Sie beklagte, Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt würden in Gemeinden „nicht wirklich gelebt, erarbeitet und umgesetzt“. Solche Konzepte müssten partizipativ mit Kindern und Jugendlichen in Gemeindegruppen, mit Eltern und Gemeindemitgliedern entwickelt werden. Für die Begleitung solcher Prozesse müsse die Kirche Ressourcen zur Verfügung stellen, zu der auch externe fachliche Expertise gehöre, forderte Claus.