Nach dem Kindesmissbrauch im evangelischen Schwarzacher Pfarrhaus gibt es nun auch offene Fragen zum Vorgehen des zuständigen Kulmbacher Jugendamtes. Nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) soll die Behörde auch nach Kenntnis der Übergriffe das betroffene zwölfjährige Mädchen nicht aus der Familie genommen haben. Der Pfarrer ist mittlerweile rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Nach epd-Informationen lebt das Kind nach wie vor im Pfarrhaus – auch nach dem rechtskräftigen Urteil von Anfang Dezember. Die sechs Übergriffe fanden zwischen Dezember 2023 und März 2024 statt. Das Jugendamt soll, nachdem der Behörde diesen Sommer die Übergriffe bekannt geworden sind, eine räumliche Trennung im Pfarrhaus angeordnet haben. Ab diesem Zeitpunkt soll die Pfarrerin mit den Kindern im Ober- und der Pfarrer im Erdgeschoss gelebt haben. Das Obergeschoss habe er nicht betreten dürfen.
Das Landratsamt, zu dem das Jugendamt organisatorisch gehört, hat in der Angelegenheit mehrere Tage lang auf den Datenschutz verwiesen und geschwiegen. Am Donnerstag schließlich teilte der Behördensprecher auf epd-Anfrage mit, das Jugendamt habe „unverzüglich nach Bekanntwerden“ unter anderem ein Schutzkonzept erstellt und umgesetzt sowie „für eine räumliche Trennung gesorgt“. Zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte könne man „keine Details“ nennen. Das Jugendamt begleite den Fall weiterhin „engmaschig“, heißt es.
Ein Experte für Sexualstraftaten und Jugendschutz, der nicht namentlich genannt werden will, bewertete die Entscheidung des Jugendamtes Kulmbach auf epd-Anfrage: „Sollte die Behörde von der Schwere der Anschuldigungen gegen den Mann gewusst haben, ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar.“ Das Kindeswohl habe zu jeder Zeit im Zentrum zu stehen. Wie das gewährleistet werden solle, wenn Opfer und Täter weiter unter einem Dach wohnten, sei schwer nachvollziehbar. „Alleine die Tatsache, dass das Kind von der Anwesenheit des Täters weiß, ist unzumutbar“, sagte er.
Auch das Verhalten der Pfarrerin müsse hinterfragt werden, sagte der Experte. „Sollte das Kind den Wunsch geäußert haben, im Pfarrhaus zu bleiben, kann das natürlich ein Grund sein, dem Wunsch von Amts wegen zu folgen“, betonte er. Dann aber müsste die Pfarrerin quasi rund um die Uhr den Schutz des Kindes sicherstellen können. Wie eine berufstätige Pfarrerin zu 100 Prozent für das Kind da sein und seinen Schutz gewährleisten wolle, wenn sie etwa Seelsorge-Termine wahrnehme, das Kind aber mit dem Täter im Haus sei, „ist fraglich“.
Inzwischen ist die Frau zwar „bis auf Weiteres nicht im Dienst“, wie die Landeskirche auf epd-Anfrage bereits am Dienstag mitgeteilt hatte. Die Pfarrerin hatte bis auf eine kurze Pause nach Bekanntwerden der staatsanwaltschaftlichen Vorwürfe aber weiter im Gemeindedienst gearbeitet, während ihr Mann seit Anfang September vom Dienst freigestellt war. Der Mann verliert wegen seiner Verurteilung automatisch die Anstellung bei der Kirche. Nach epd-Informationen ist er seit Dienstagabend auch aus dem Pfarrhaus in Schwarzach ausgezogen. (00/4023/19.12.2024)