Das Gesundheitswesen soll umfassend reformiert werden – insbesondere die Krankenhauslandschaft. Kliniken, Ärzte, Kassen und Apotheker rebellieren gegen die Vorhaben. Sie werfen dem Minister Gesprächsverweigerung vor.
In den laufenden Reformvorhaben der Gesundheitsversorgung ebbt die Welle der Kritik an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht ab. Spitzenvertreter von Krankenhäusern, Ärzten und Apothekern warnten am Donnerstag in Berlin vor “dramatischen Lücken” der flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung sowie vor einem Scheitern der umfassenden Reformvorhaben des Ministers.
Zeitgleich bekräftigte Lauterbach nach einem Treffen mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, dass der Zeitplan für die Reform der Krankenhausversorgung gehalten werde. Die “dringende Reform” befinde sich auf der “Zielgeraden”. Ende April solle der Gesetzentwurf im Kabinett sein. Dabei werde es kein “dramatisches Krankenhaussterben” geben, auch wenn langfristig die Zahl von gut 1.700 Kliniken bundesweit finanziell und personell nicht haltbar sei. Und auch der geplante Atlas über Leistungen und Qualität der Krankenhäuser soll – trotz der Hürden bei der Abstimmung – noch im Mai kommen, bekräftigte Lauterbach.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, bewertete die Krankenhausstrukturreform äußerst skeptisch. “Der bekannt gewordene ‘Nichtentwurf’ beschreibt über 15 Seiten den Aufwuchs an Bürokratie, ohne zentrale Ziele des Gesetzes zu erreichen.” Auch die angestrebte Vorhaltefinanzierung funktioniere nicht – sie soll die bisher alleinige Finanzierung der Krankenhäuser über Fallpauschalen ergänzen. Die Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen werfe mehr Fragen als Antworten auf, so Gaß. Kritik übte er ebenso am geplanten Transformationsfonds für eine Umgestaltung der Krankenhauslandschaft, den im Wesentlichen die Beitragszahler finanzieren müssten.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, beklagte ein “kaltes Absterben” der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Gemeinsam mit Gaß und weiteren Verbandsvertretern warf er dem Minister vor, die ohnehin immense Bürokratie etwa durch weitere Dokumentationsvorschriften weiter auszubauen. So bleibe immer weniger Zeit für die Patientenversorgung. Die Reformen gefährdeten auch die Freiberuflichkeit als Kernelement der Gesundheitsversorgung sowie die Trägervielfalt der Kliniken. Die Spitzenvertreter warfen Lauterbach zugleich mangelnden Respekt gegenüber der Selbstverwaltung vor.
Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz läuft der Minister Gefahr, die Krankenhausreform mit vollem Tempo an die Wand zu fahren. “Denn es fehlt immer noch der Blick in die Praxis und auf den Patienten”, sagte Vorstand Eugen Brysch.
Mit rund 314 Milliarden Euro, die die Krankenkassen an Ärzteschaft, Kliniken, Apotheken und Pharmaindustrie überweisen, wird laut dem Schätzerkreis des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) voraussichtlich ein neues Rekordniveau in diesem Jahr erreicht. Laut Statistik stiegen die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen im vergangenen Jahr auf 93,5 Milliarden Euro.