Was hätte Mickey Mouse im französischen Internierungslager Gurs erlebt? Das beschreibt der jüdisch deutsche Künstlers Horst Rosenthal (1915-1942), der selbst dort interniert war. Aus Sicht der US-amerikanischen Comicfigur Mickey Mouse beschreibt der damals 27-Jährige mit sarkastischem Humor und auf Französisch die Situation in Gurs. Von dort wurde Rosenthal 1942 ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht und ermordet.
Mit dem Band „Mickey im Lager Gurs“, der jetzt von der Gedenkstätte Blaues Haus in Breisach herausgegeben wurde, liegt Rosenthals Comic erstmals komplett mit deutscher Übersetzung sowie Erläuterungen vor. Das Original befindet sich in der Shoah-Gedenkstätte Paris. Rosenthal hat 1942 noch zwei weitere Comics verfasst.
Sein Sinn für Ironie macht sich auch auf dem roten Titelblatt bemerkbar: „Veröffentlicht ohne Genehmigung von Walt Disney“ heißt es da. Der US-amerikanische Filmemacher und Schöpfer beliebter Zeichentrickfiguren wie Mickey Mouse, Walt Disney (1901-1966), war für seinen Antisemitismus berüchtigt. Als „Mickey“ wurden auch kleine Kinder in den französischen Lagern bezeichnet. Am 22. Oktober 1940 wurden rund 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach Gurs verschleppt.
„Der Comic ist ein kleines Kunstwerk, das Kopf und Herzen aufschließen kann“, sagt Christiane Walesch-Schneller, Vorsitzende des Blauen Hauses, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch wenn das in rot gebundene Bändchen Rosenthals in eine Hosentasche passe, gehe seine Bedeutung weit darüber hinaus. Die „Mickey-Brille“ lenke den Blick auf die unmenschlichen Umstände für die Unschuldigen, die im Lager Gurs gefangen waren.
Der frühere Freiburger evangelische Schuldekan Christian Stahmann hat sich für die Veröffentlichung starkgemacht. Er hält den zweisprachigen Band mit seinen einordnenden Texten besonders für Schülerinnen und Schüler geeignet. Gezeigt werde, dass Jüdinnen und Juden keine passiven Opfer gewesen seien. Vielmehr hätten sie sich der Shoah mit Händen und Waffen, sowie der „unschlagbaren Kraft der Ironie“, entgegengestellt.
Comics verarbeiteten auf ihre eigene Weise vergangene Begebenheiten und könnten den Zeitgeist so einfangen, schreibt die Autorin und Lehrerin Sandra Butsch in einem Beitrag. Oftmals werde das reflektierende Element von Comics unterschätzt. Rosenthals Comic zeige das Un-Darstellbare, indem es nur ansatzweise erzählt werde. Als Protagonist könne Mickey Mouse sich in den Lageralltag einfühlen, distanziere sich jedoch gleichzeitig davon.