Die Regierung von Präsident Javier Milei treibt zur Entfesselung der Wirtschaft weitere Deregulierungsmaßnahmen voran. Betroffen davon sind allerdings auch Territorien, in denen die indigenen Völker Argentiniens leben.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sieht die Rechte indigener Völker in Argentinien bedroht durch jüngste Deregulierungsmaßnahmen der Regierung des libertären Präsidenten Javier Milei. “Damit öffnet die Regierung Bergbau, Agrarindustrie und anderen extraktiven Sektoren Tür und Tor, indigene Gebiete und die Umwelt rücksichtslos auszubeuten”, warnt Jan Königshausen, Referent für Indigene Völker bei der GfbV, in einer Stellungnahme.
Milei ist seit einem Jahr im Amt und versucht mit einem harten Reformkurs das überschuldete Land zu sanieren. Innerhalb eines Jahres sank die monatliche Inflation von 25 Prozent auf zuletzt 2,4 Prozent im November. Das Land erwirtschaftete erstmals wieder Handelsüberschüsse, der Börsenkurs der argentinischen Unternehmen verdoppelte sich. Dagegen steht ein durch Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, Abbau von Subventionen und Preissteigerungen bewirkter Anstieg der Lebenshaltungskosten und eine zunächst steigende Armutsrate von 45 Prozent auf über 50 Prozent, die aber zuletzt wieder rückläufig war.
Unterdessen kündigte Milei weitere Deregulierungsmaßnahmen an, um Wirtschaft und Industrie anzukurbeln. Nichtregierungsorganisationen fürchten konkret um den Fortbestand des “Notlagengesetzes 26.160”. Es soll seit 2006 indigene Gebiete vor Räumungen schützen und stellt laut der Gesellschaft für bedrohte Völker auch eine Grundlage für die Anerkennung von Landrechten dar. Allerdings hätten auch Vorgängerregierungen es versäumt, für klare rechtliche Verhältnisse zu sorgen. “Statt Rechtssicherheit zu schaffen und indigene Territorien anzuerkennen, wurde die Maßnahme über 18 Jahre hinweg immer wieder verlängert, ohne den Betroffenen Sicherheiten oder Gewissheit zu bieten”, kritisiert GfbV-Referent Königshausen.
Indigene Organisationen kritisieren in einer Stellungnahme Mileis Attacke auf die Regelung als Fortsetzung einer “Geschichte des Landraubs” und werfen der Regierung vor, die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen voranzutreiben. Die geplante Abschaffung des Gesetzes sei ein Akt der historischen Ignoranz. “Indigene Völker fordern Gerechtigkeit und die Rückkehr zu einem rechtsstaatlichen Umgang mit unseren Territorien”, heißt es in einem in Sozialen Medien veröffentlichten Statement des Parlaments der indigenen Nationen, Völker und Gemeinschaften von Jujuy im Norden Argentiniens.
Die jetzt von den geplanten Deregulierungsmaßnahmen betroffenen Gebiete seien nicht nur der Lebensraum indigener Völker in über 300 Gemeinschaften. Die dortigen Nebelwälder spielten auch eine zentrale Rolle im Kampf gegen die globale Klimakrise. “Ohne rechtlichen Schutz sind indigene Gemeinschaften und die einzigartige Biodiversität dieser Regionen in höchstem Maße gefährdet”, warnt Königshausen.
Argentinien hat das völkerrechtlich bindende Abkommen über indigene Völker, die ILO-Konvention 169, bereits 2000 ratifiziert. Deswegen sie das Land rechtlich verpflichtet, indigene Landrechte anzuerkennen, argumentiert die GfbV. Die Aufhebung des Gesetzes verstoße klar gegen diese Verpflichtungen.
Mit Blick auf die gerade erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über ein EU-Mercosur-Freihandelsabkommen sagt Königshausen: “Von der EU als neuem Freihandelspartner der Mercosur-Staaten, zu denen auch Argentinien gehört, erwarten wir, dass Handelsinteressen nicht über die Einhaltung indigener Rechte gestellt werden.” Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht der EU müsse den Schutz indigener Territorien zwingend einschließen, um ein klares Zeichen gegen Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen zu setzen.