Artikel teilen:

Menschen trauern vor Mannheimer Blumenmeer um Polizisten

Mannheim trauert: Zahlreiche Menschen versammeln sich zur Schweigeminute und ehren den durch einen Messerangriff getöteten Polizisten – unter den Trauernden ist auch der Bundespräsident.

Peter Knappe steht auf dem Marktplatz in Mannheim, er will an der Gedenkminute um 11:34 Uhr für den durch eine Messerattacke getöteten Polizisten teilnehmen. Mit erstickter Stimme erzählt er, dass er in der vergangenen Woche den Platz am Alten Rathaus passiert hatte, als dort ein 25-jähriger Mann während einer Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa ein Messer zückte und auf Menschen einstach. Freitagvormittag, 11:34 Uhr, war es da. Er verletzte sechs Anwesende, einen 29-jährigen Polizisten so schwer, dass dieser zwei Tage später starb.

Seitdem ist nichts mehr, wie es war: die Monstrosität des Angriffs, der Tod eines Menschen, der das tat, was sein Job von ihm verlangt – nämlich Menschen zu beschützen. Das hat nicht nur die Menschen in Mannheim erschüttert. Aus der ganzen Bundesrepublik reisen Journalistinnen und Journalisten an, um vor Ort eine Antwort auf die Frage zu finden: “Was ist hier los?” Knappe sagt, den Menschen fehle es an Gesprächsbereitschaft. “Ich habe Angst vor der Zukunft”, sagt der Lehrer.

Um 11:25 Uhr fahren dunkle Autos vor dem Rathaus vor, der Bundespräsident steigt aus einem der Wagen, er will einen Kranz auf dem Platz niederlegen, wo der Polizist sein Leben verlor. Begleitet wird Steinmeier unter anderem von der baden-württembergischen Regierungsspitze. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) sind da, auch Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) ist dabei.

Schweigend stehen rund 2.000 Menschen vor dem Blumenmeer, das vor dem Denkmal auf dem Marktplatz in den vergangenen Tagen entstanden ist. 50 Streifenpolizistinnen und Polizisten haben sich aufgereiht, die Eltern des Gestorbenen und die Schwester stützen einander, bei ihnen steht der Bundespräsident.

Punkt 11:34 Uhr läutet die Glocke des Alten Rathauses, die Polizisten setzen ihre Mützen ab, die Köpfe sind gesenkt. Die Stille wird noch stiller. Die Menschen verharren gemeinsam zur Schweigeminute.

Später wird der Bundespräsident im Polizeipräsidium gegenüber der Presse ein Statement abgeben. Er habe mit den Eltern und der Schwester des getöteten Polizisten sowie Kolleginnen und Kollegen gesprochen. “Ihr Schmerz und ihre Verzweiflung sind unendlich, ihr Leid bewegt mich sehr”, sagt er. Der Polizist habe im Einsatz für Recht und Freiheit sein Leben verloren. “Unser Land wird ihn nicht vergessen.”

Es sind Rituale, die die Politik hier vollzieht, Kranzniederlegungen, öffentlich geäußerte Anteilnahme. Der Bundespräsident wirkt angegriffen, und er wird deutlich: Die Tat in Mannheim sei ein “blutiger Terrorakt”, eine Gewalttat, die nicht hingenommen werden dürfe. “Gewalt zerstört Freiheit und Demokratie. Wir müssen Gewalt ächten, von wem auch immer sie ausgeht.” Jeder Einzelne müsse der Verrohung der Umgangsformen entgegentreten.

Zugleich mahnte er, nun erst recht zusammenzustehen. “Wir müssen gemeinsam das friedliche Miteinander in unserem Land verteidigen.” Aus Steinmeiers Worten klingt Besorgnis. Auch Mannheims OB Specht hatte bei einer Kundgebung am Montagabend, zu der die Stadt eingeladen hatte, gesagt, die Menschen sollten sich jetzt nicht spalten lassen.

Derweil ist eine Gruppierung genau damit beschäftigt: die AfD. Der mutmaßliche Täter ist Afghane, der vor rund zehn Jahren nach Deutschland kam und dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Eine Steilvorlage für die AfD, die seitdem mit Sprüchen wie “Remigration rettet Leben” auf sich aufmerksam macht.

Am Sonntag hatte die Jugendorganisation der Partei eine Mahnwache auf dem Marktplatz abgehalten; in der Folge kam es zu Rangeleien mit Gegendemonstranten. Für Freitag hatte die AfD abermals eine Kundgebung angemeldet. Wieder auf dem Marktplatz. Den will die Stadt aber bis Mitte Juni für Trauer und Gedenken frei halten. Die Partei klagte und bekam zunächst Recht vom Verwaltungsgericht Karlsruhe. Der Verwaltungsgerichtshof jedoch gab einer Beschwerde der Stadt Mannheim statt und lehnte die Eilanträge der AfD ab. Dieser Beschluss sei unanfechtbar, so der VHG am Freitag.