In den zunehmend ideologisch-moralisch aufgeladenen Debatten über den Nahost-Konflikt im Kulturbetrieb sieht der deutsch-israelische Historiker und Pädagoge Meron Mendel eine Gefahr für die Kunstfreiheit. Im Kontext des Nahostkonflikts werde die Kunstfreiheit derzeit von mindestens zwei Seiten angegriffen, schreibt Mendel in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ (Mittwoch, online) – einerseits von Pro-Palästina-Aktivisten, die Veranstaltungen sprengten und Menschen niederbrüllten, andererseits von Amtsträgern in der Kunst- und Kulturwelt, die palästinensische und propalästinensische Stimmen aus der Öffentlichkeit verdrängen wollten.
Beide Seiten bedienten die Logik des Boykotts und bedrohten somit die Kunstfreiheit, kritisierte der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main. Vielen scheine es wichtiger, die eigene Radikalität und moralische Überlegenheit zu feiern, als den Künstlern in Israel und Gaza Gehör zu verschaffen. Empathie werde selektiv nach politischen Ansichten verteilt. „Die selektive Empathie wird inzwischen so praktiziert, dass – je nach Vorfestlegung – israelischer oder palästinensischer Schmerz ausgeklammert und aus der Öffentlichkeit verdrängt wird“, schrieb Mendel.