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„Mein Motto lautet: Einfach machen!“

Eine Frau über ihr Leben zwischen Stukenbrock, Koh Samui, Südafrika, Griechenland und Texel

Manuela lacht. Sie strahlt Lebensfreude und Lebenserfahrung gleichzeitig aus. Die 60-Jährige wirkt jünger, greift zum Feierabendbier, ist zufrieden mit ihrem Leben. „Manches hat funktioniert, einige Male bin ich gescheitert. Aber ich hab viel ausprobiert. Deshalb kann ich jedem nur raten: Nichts aufschieben, nur keine Angst haben.“

Über das ostwestfälische Stukenbrock hat es sie über Griechenland und Thailand in die Niederlande geführt. Heute verkauft sie Snacks und Getränke auf der Nordseeinsel Texel. Und dort möchte sie auch bleiben. „Es sei denn, ich gewinne im Lotto“, sagt Manuela schmunzelnd und fügt hinzu: „Dann gehe ich wieder auf Weltreise.“ Vor zehn Jahren hat sie diesen Traum schon einmal wahr gemacht. Nach dem Tod der Mutter gab es ein kleines Erbe. Gemeinsam mit ihrem Bruder hat sie sich damit eine Weltreise gegönnt. „Es war eine unglaublich schöne und spannende Zeit“, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Fast ein Jahr lang sind die Geschwister um den halben Globus gereist. Von Kuba aus ging es nach Brasilien, Neuseeland und Australien. Anschließend nach Thailand, Kambodscha und Vietnam. Die letzte Station hieß Südafrika. „Ein großartiges Land“, schwärmt sie: „Aber langsam bekam ich Heimweh.“

Also ging es mit tausend Erlebnissen und Eindrücken im Gepäck wieder zurück nach Ostwestfalen. „Vielleicht macht man solch eine Reise besser in jüngeren Jahren, aber es kostet natürlich – wenn wir auch einfach gelebt haben. Und es muss familiär passen.“

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Das war bei Manuela gar nicht so einfach. Sie ist jung Mutter geworden. Die Verbindung zum Vater des Kindes hielt nicht. Also hieß es erstmal: Alleinerziehend durch’s Leben. Als Manuelas Tochter 16 wurde, zog diese zu ihrem Vater nach Griechenland. „Da begannen die Fragen in mir: Was willst du von deinem Leben? Ewig in Stukenbrock bleiben? Nochmal ausbrechen?“ Sie war gerade 38 Jahre alt, und ihre Antwort an sich selbst lautete: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Lange bevor der gleichnamige Song der Kölner Band „De Höhner“ die Charts stürmte.

Sie löste also ihre Wohnung auf, kündigte ihren Job und deponierte ein paar Kartons mit Hab und Gut bei ihrem Bruder. Die erste Station ihres neuen Weges hieß Griechenland. Dort wohnte ja bereits ihre Tochter. Aber schon nach einem halben Jahr packte sie wieder ihre Sachen. Und das nächste Ziel hieß dann damals, vor rund zwanzig Jahren schon: Texel. Die Eltern fuhren schon „seit Ewigkeiten“ zum Nordseeangeln dorthin, hatten mittlerweile einen Karawan vor Ort. Als der Vater noch in Stukenbrock arbeitete, verbrachte ihre Mutter bereits die meiste Zeit des Jahres auf der Insel. Hier konnte Manuela jetzt erstmal unterkommen. Und schnell fand sich ein Job in der Gastronomie, in einem Strandcafé. „Bis auf ein paar Ausnahmen hab ich bis heute immer wieder im selben Lokal gearbeitet. Die mögen mich da, und ich mag sie. Und am Strand ist immer was los. Das gefällt mir.“ Seitdem hat sie den Tod beider Elternteile begleitet und die Weltreise angetreten. Aber immer wieder führte sie ihr Weg auf die beliebte Nordseeinsel.

„Mittlerweile kann ich sagen, dass ich in Holland sesshaft geworden bin“, sagt sie und wirkt selbst erstaunt über diese Erkenntnis. Sie hat ein Appartement gemietet, nicht weit vom Strand. Die Urne ihres Vaters steht dort seit fünf Jahren im Schrank: „Die Asche soll über dem Meer verstreut werden, aber irgendwie habe ich noch nicht die ganze Familie hier zusammenbekommen.“ Manuela ist froh, dass sie im Leben schon so viel ausprobiert und gesehen hat. „Vor allem Kuba und Thailand werde ich nie vergessen. Völlig andere Welten“, schwärmt sie. Besonders hat es ihr Koh Samui angetan, die drittgrößte Insel Thailands: „Die Kultur und die Menschen faszinieren mich einfach. Das war ein echtes Highlight der damaligen Reise“.

Viele Tempelanlagen hat Manuela sich dort angesehen, genauso wie Kirchen in Brasilien oder Australien. „Religion interessiert mich sehr, auch wenn ich vor vielen Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten bin.“ Sie wurde zwar christlich erzogen, konnte aber nicht akzeptieren, dass die katholische Kirche sich vor Jahren aus der Schwangerenberatung zurückgezogen hat: „Ich habe selbst erlebt, wie wichtig solche Beratungsstellen sind. Wer ungewollt schwanger wird, braucht einfach Infos und Beistand.“

Augen für anderes

Nun genießt sie ihr Leben auf der holländischen Insel, aber besonders ab Ende August: „Dann wird es deutlich ruhiger auf Texel, und ich erlebe die Schönheit der Insel viel intensiver. In den Sommermonaten ist es schon sehr voll hier. Sind die Touristen weg, fahre ich mit dem Rad durch das Vogelschutzgebiet, die Moorlandschaften und den Wald bei den Dünen. Dann kann ich wunderbar abschalten.“

Umso gefragter ist in der heißen Zeit ihre Erfahrung mit den Gästen im Strandcafé. Viele deutsche Urlauber freuen sich, bei ihr in der Heimatsprache das Essen bestellen zu können. „Mein Chef lässt nicht mehr zu, dass ich in einem anderen Restaurant auf der Insel arbeite“, sagt Manuela augenzwinkernd. Allein fühlt sie sich auch nicht: „Ich mag meine Kolleginnen und Kollegen, und manchmal kommen meine Tochter und mein Enkel auch zum Jobben hierher.“ Der Enkel hat schon sein Studium angetreten, ein Ass in Chemie und Physik. „Von mir hat er das nicht“, sagt Manuela lachend, kann aber ihren Stolz nicht verbergen.

So wird es ihr nie langweilig. Aber sie braucht auch nicht viel. „Ich hatte zeitweise nicht einmal einen Fernseher. Aber dann hat man Augen für anderes.“ Überhaupt meint sie, weniger sei manchmal mehr im Leben. „Viele Menschen sammeln sich so viel unnötigen Kram an, den sie gar nicht wirklich brauchen“, meint die Wahl-Insulanerin und ist zufrieden mit ihrem einfachen Leben: „Ich freue mich über Kleinigkeiten. Wenn die Sonne scheint. Wenn ich jemandem ‚Guten Morgen‘ wünsche. Dann bin ich gleich gut drauf, und es kostet nichts.“

Wer immer wieder ganz neu anfängt, weiß was man wirklich nötig hat und was nicht – so ihre Überzeugung. Immer neu angefangen hat sie nicht nur in Griechenland, Stukenbrock, Koh Samui. Auch auf Texel ist sie zeitweise siebenmal im Jahr umgezogen. „Wohnungssuche ist auf dieser Insel eine Katastrophe.“ Jetzt ist sie angekommen. Wie sie sagt, für immer. Schauen wir mal.