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Mehr Zeit und Geld für Pflege von Angehörigen

Mehr als ein Fulltime-Job: Wer Angehörige zuhause pflegt, muss dafür laut einer Umfrage immer mehr Zeit und Geld investieren. Das hat Folgen für das Berufsleben. Doch geht es nicht anders – oder ist es nicht gewollt?

Wer zuhause Angehörige pflegt, muss dafür immer mehr Zeit und eigenes Geld aufwenden. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag vorgestellten Umfrage im Auftrag der AOK. Zugleich ist die Pflege demnach einer der Hauptgründe, warum im Job Stunden reduziert werden oder die Erwerbstätigkeit sogar ganz aufgegeben wird.

Gaben die Befragten 2019 noch an, durchschnittlich 43 Wochenstunden für pflegende Tätigkeiten wie Ernährung, Körperpflege und Medikamentengabe zu benötigen, lag die aufgewendete Zeit nun bei 49 Stunden. Auch die finanzielle Belastung hat den Angaben zufolge trotz gestiegener Leistungen aus der Pflegeversicherung zugenommen: Der mittlere Eigenanteil kletterte von knapp 200 Euro im Jahr 2019 auf jetzt 290 Euro im Monat.

Die zeitliche Belastung wirkt sich nicht zuletzt auf die Berufstätigkeit aus. Nur 46 Prozent der Hauptpflegepersonen arbeiten laut Umfrage in Vollzeit. 37 Prozent haben eine Teilzeitbeschäftigung, und 18 Prozent sind gar nicht beschäftigt. Unter den Teilzeitbeschäftigten gab mehr als die Hälfte an, die Arbeitszeit wegen der Pflege reduziert zu haben. Unter den Nicht-Erwerbstätigen gaben 28 Prozent die Tätigkeit wegen der Pflege auf.

Zugleich ist in den vergangenen vier Jahren die Inanspruchnahme von externer Unterstützung zurückgegangen. So beantragten 2023 fast zwei Drittel der Befragten lediglich Pflegegeld, ohne jedoch einen Pflegedienst zu beauftragen, 2019 waren es noch rund 57 Prozent.

Hingegen nutzte nun noch knapp ein Drittel eine Kombination aus beidem oder ausschließlich einen Pflegedienst, was einen Rückgang um über sechs Prozent bedeutet. Die Hauptgründe dafür liegen laut Umfrage in mangelndem Bedarf an externer Unterstützung, jedoch auch an den Pflegebedürftigen selbst, die “nicht von Fremden gepflegt werden wollen”. In Bezug auf ambulante Pflegedienste war dies für 46 Prozent ein Grund für Ablehnung, bei Kurzzeitpflege für 32 Prozent.

“Es ist problematisch, dass pflegende Angehörige mit durchschnittlich 49 Wochenstunden Pflegearbeit zu Hause belastet sind und dass die häusliche Pflege offenbar dazu führt, dass fast jeder Vierte die Erwerbstätigkeit reduziert oder ganz aufgibt”, sagte die AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann. So würden weitere Schwierigkeiten in der Pflege der Zukunft befeuert. “Wenn pflegende Angehörige – überwiegend Frauen – die Arbeitszeit reduzieren oder ganz aufhören zu arbeiten, bereitet dies Tür und Tor für Altersarmut in der nächsten Generation der zu Pflegenden”, warnte Reimann.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wirft der Bundesregierung vor, keine Konzepte für alte und pflegebedürftige Menschen entwickelt zu haben. “Die verabschiedete Pflegereform ist ein Flickenteppich und kann die davongaloppierenden Ausgaben nicht stoppen”, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Eine generationengerechte Pflegeversicherung sei überfällig. “Dabei ist der Eigenanteil für die Pflege politisch festzulegen. Die weiteren Kosten hat die Sozialversicherung zu tragen.”

Für die Erhebung hatte das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) den Angaben zufolge im August und September vergangenen Jahres 1.008 Menschen befragt, die nichtprofessionelle Pflege von Pflegebedürftigen Zuhause leisten. Dabei seien auch Teilnehmer aus einer Erhebung von 2019 erneut befragt worden.