Kommentar von Claudia RothMit erstaunlicher Ratlosigkeit verfolgt die internationale Gemeinschaft das Geschehen in Syrien, wo der Krieg in sein viertes Jahr geht und weiterhin unendliches Leid erzeugt. Der Syrienkrieg ist ein besonders grausamer Stellvertreterkrieg, bei dem das Leid der Millionen von Menschen allen Akteuren und Kriegsparteien gleichgültig ist.In Syrien wie in den Nachbarstaaten wird die Lage von entwurzelten und der nackten Gewalt entkommenen Menschen täglich dramatischer. Die diplomatischen Bemühungen müssen auch über die Vernichtung der Chemiewaffen hinaus unbedingt weitergehen, denn es gibt offensichtlich keine militärische Lösung für Syrien. Wie lange diese Bemühungen weitergehen und wann sie greifbare Ergebnisse bringen werden, ist zurzeit nicht absehbar. Dies bedeutet aber nicht, dass die sich von Tag zu Tag verschärfende humanitäre Katastrophe in und um Syrien eine Pause einlegen würde.Unbestritten ist, dass diese humanitäre Katastrophe mehr und mehr zu einer politischen Krise und damit zur Destabilisierung der ganzen Region führt. Allein im Libanon sind offiziell bereits über 1,2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Und das in einem armen und krisengeschüttelten Land bei einer Einwohnerzahl von gerade einmal 4,5 Millionen. Man kann sich leicht vorstellen, dass die gesamte Infrastruktur Libanons, die Versorgung mit Lebensmitteln, das Gesundheits- und Bildungssystem längst an ihre Grenzen gekommen sind und drohen, komplett zu kollabieren. Es braucht also dringend Hilfe der internationalen Gemeinschaft, wenn es dort nicht zu einem Flächenbrand kommen soll. Auch in Jordanien und in der Region Kurdistan-Irak ist die Situation extrem schwierig. Hinzu kommen die fast eine Million Flüchtlinge aus Syrien in der Türkei.Die Vereinten Nationen gehen von mehr als 2,5 Millionen Flüchtlingen allein in den Nachbarstaaten aus. Außerdem sind in Syrien selbst sechs Millionen Menschen auf der Flucht, mehr als neun Millionen Menschen leiden akute Not.Diese Menschen brauchen dringend Hilfe. Sie sind schutzbedürftig und auf der Suche nach Sicherheit und Unterstützung. Jede Verzögerung, aus welchen Gründen auch immer, kommt einer unterlassenen Hilfeleistung gleich! Denn den Menschen nicht zu helfen, auch begründet mit der Hoffnung, dass irgendwann eine Lösung der Krise gefunden werden könnte, ist moralisch verwerflich. Es geht um Hilfe in der Stunde der Not. Die Not ist real, nicht verrück- und verdrängbar. Sie wird auch nicht kleiner, indem wir uns vor Aufnahme von größeren Kontingenten drücken. Bis heute will die Bundesregierung gerade einmal 10000 Menschen bei uns aufnehmen. Neben Schweden sind wir damit aber sogar das einzige Land in der EU, das ein festes Kontingent an syrischen Flüchtlingen aufnimmt. Das empfinde ich als Armutszeugnis für Europa. Deutschland muss dringend ein weitaus größeres Kontingent zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen genehmigen, das auch in Relation zur vorhandenen Not in Syrien steht. Außerdem sollten wir die Möglichkeit des Familiennachzugs für in Deutschland lebende Syrer deutlich erleichtern.
Artikel teilen:
Mehr Hilfe für die Flüchtlinge
Die Not in Syrien wächst. Vier Jahre dauert der Krieg, eine Lösung ist nicht in Sicht. Immer mehr Menschen versuchen zu fliehen. Aber wer nimmt sie auf? Kommentar von Claudia Roth