Trotz enormer Konkurrenz durch Streamingplattformen und Social Media gibt es aus Sicht des Erlanger Medienwissenschaftlers Sven Grampp zwei große Gründe, warum Menschen heutzutage noch Fernsehen schauen. „Ganz traditionell sind das Dinge, die sich wiederholen: die Tagesschau, der Tatort oder die Daily Soaps, die es im klassischen Fernsehen immer noch gibt“, sagte Grampp dem Evangelischen Pressedienst (epd) zum Welttag des Fernsehens am 21. November.
Ein zweiter Grund seien Medienereignisse. Die könnten Feste sein, etwa Promi-Hochzeiten oder Fußballweltmeisterschaften. „Diese Dinge sind vorher geplant und um die herum baut das Fernsehen sein Programm.“ Aber auch Katastrophen wie 9/11 oder der Krieg in der Ukraine seien im Kern Medienereignisse, auf die sich Fernsehprogramme ausrichteten.
Das Besondere: Gerade diese Programmelemente des Fernsehens bringen Menschen zusammen, stellt der Dozent am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Uni Erlangen-Nürnberg fest. „Nehmen wir mal das Fest, wie dieses Jahr die Fußball-Europameisterschaft. Es wird lange vorbereitet, dann wird stundenlang berichtet, darüber diskutiert, hin und her geschaltet. Danach gibt es Analysen. Da findet eine Kollektivierung statt.“
Doch auch Streamingplattformen hätten inzwischen verstanden, Menschen gezielt zum gemeinsamen Schauen zu animieren. Die Hochzeit des britischen Thronfolgers Prinz William mit Catherine Middleton hätten schon 2011 mehr Menschen bei Youtube gesehen als im TV. Auch groß angekündigte Staffeln beliebter Serien führten dazu, dass sich Menschen verabreden, um neue Folgen direkt nach der Veröffentlichung gemeinsam online zu sehen. „Selbst Serien, die eigentlich eine Wiederholungsstruktur haben, können so zu Medienereignissen werden und zur Vernetzung führen.“ Andere Medien versuchten so, bestimmte Formen des Fernsehens zu adaptieren.
Dem Fernsehen attestiert der Medienwissenschaftler jedoch, dass die Vergemeinschaftung dort viel leichter ist. „Während Olympia hatte man bei ARD und ZDF das Gefühl, es gibt nichts anderes als das. Sie schaufeln alles frei.“ Bei weniger punktuellen Medienereignisse, wie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, zeige sich ein Wandel. „Das kommt natürlich im Fernsehen, aber die entscheidenden Medien sind die sozialen Medien, weil die schneller neue Informationen haben.“ Das Fernsehen greife dann selbst auf andere Medien zurück, um zu berichten.