Wer meint, im Paradies herrschte „dolce far niente“, seliges Nichtstun, wird enttäuscht sein: Schon im Garten Eden gab es immer was zu tun. Adam und Eva räkeln sich keineswegs den ganzen Tag in der Hängematte und lassen sich die Paradiesfrüchte in den Mund wachsen. Gott gibt ihnen von Anfang an einen Auftrag: Sie sollen den Garten Eden bebauen und bewahren (1. Mose 2,15).
Biblisch betrachtet ist der erste Beruf des Menschen also Gärtner. Das Bebauen und Bewahren beschreibt bereits zwei Aspekte der Arbeit. Sie dient der Erhaltung dessen, was der Mensch als Lebensraum vorfindet. Zum Bewahren kommt das Bebauen. Das bedeutet Verändern. Der Mensch ist kreativ, schöpferisch wie Gott, dessen Ebenbild er ist. Wer arbeitet, gestaltet.
Arbeiten im Paradies muss die perfekte Work-Life-Balance gewesen sein. In den ersten beiden Kapiteln der Bibel steht nichts von Schuften, Stress oder Erschöpfung. Das Bebauen und Bewahren ging Adam und Eva offenbar so leicht von der Hand, dass es nicht der Rede wert ist. Zur Plackerei wird die Arbeit erst nach dem Sündenfall. Nun können sie nicht nur Gut und Böse unterscheiden. Sie erfahren auch, wie mühselig das Leben jenseits von Eden ist. Gott verbannt das erste Paar der Menschheitsgeschichte aus dem Paradies und spricht: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. (…) Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“ (1. Mose 3,17-19)
Ruhe ist kein Luxus für Superreiche
Seitdem hat Arbeit einen bitteren Beigeschmack. Das entspricht der Lebenswirklichkeit der Menschen in der Bibel. Arbeit war im Alten Orient an erster Stelle Ackerbau und Viehzucht. Beides war hart in diesen Breitengraden mit wenig Regen und viel Wüste. Arbeit bedeutet hier Kampf ums Überleben. Man isst sein „Brot mit Sorgen“ (Psalm 127,2), weil man nie weiß, ob und wie lange es reicht, um die Großfamilie zu ernähren.
Der Hunger ist der Motor für Fleiß. Faulheit führt ins Verderben. Das haben die Menschen täglich vor Augen. „Im Herbst will der Faule nicht pflügen; so muss er in der Ernte betteln und kriegt nichts“, stellt das Buch der Sprüche nüchtern fest (20,4). Aber auch diese Erfahrung kennt die Bibel: Man kann noch so fleißig sein – ohne Gottes Segen schuftet man vergeblich.
Die biblischen Autoren beschreiben jedoch nicht nur die harte Seite der Arbeit. Menschen sind Macherinnen und Macher, von Gott mit Kreativität und Erfindungsreichtum begabt. Der Arche-Typ Noah gilt als der Entdecker von Techniken, die den Ackerbau erleichtern (1. Mose 5,29). Und er findet heraus, wie man Trauben kultiviert und Wein daraus macht (1. Mose 9,20).
Das Wort Malochen stammt aus der hebräischen Bibel. Es erweitert den Arbeitsbegriff über das Ackern hinaus. Maloche kann ein Kunsthandwerk sein, aber auch eine Aufgabe, die man nicht mit den Händen erledigt. Wer Recht spricht oder Handel treibt, berät oder leitet, auch der und die „malocht“. Durchs Arbeiten gewinnt man Erfahrung und wird weise (2. Mose 28,3). Also nicht nur das Denken, Lesen und Studieren, sondern auch das Tun schult die geistigen Kräfte.
Der Apostel Paulus im Neuen Testament legt großen Wert darauf, dass er seinen Gemeinden nicht auf der Tasche liegt. Er ist von Beruf Zeltmacher und arbeitet auf seinen Missionsreisen auch als solcher, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das macht seine Glaubwürdigkeit aus. Er fordert seine Glaubensschwestern und -brüder auf, „dass ihr ein stilles Leben führt und das Eure schafft und mit euren eigenen Händen arbeitet“ (1. Thessalonicher 4,11). Christsein also zupackend statt apokalyptisch abgehoben.
Der Mensch ist kein Arbeitstier. Wir leben nicht, um zu arbeiten. Wir müssen unsere Existenzberechtigung nicht durch Leistung unter Beweis stellen. Der Mensch soll nach Gottes Willen kein Sklave, sondern frei sein. Alle Arbeit ruhen zu lassen, ist in der Bibel kein Luxus für Superreiche, sondern Gottes Gebot für alle. „Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun“, heißt das dritte der Zehn Gebote (2. Mose 20,8-11; 5. Mose 5,12-15). Das Gebot zählt auf, dass am Sabbat wirklich niemand schuften soll: „nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.“
Die Sabbatruhe ist reiner Selbstzweck
Der Sabbat unterbricht das Werkeln und Funktionieren von Mensch und Tier. Und das nicht nur alle Jubeljahre oder wenn mal Zeit ist, sondern jede Woche einen ganzen Tag lang. Das ist eine Herausforderung für die Leute damals, von denen viele Bäuerinnen und Hirten waren.
Die Ruhe am Sabbat ist nicht dafür gedacht, dass man danach erholt weiter rackern kann. Die Sabbatruhe ist reiner Selbstzweck. Einen Tag lang gilt nicht das Gesetz „Zeit ist Geld“. Der wöchentliche Feiertag ist pure, von Gott geschenkte Zeit, frei von allen Notwendigkeiten und Zwängen. Daran soll sich der Mensch wenigstens einmal in der Woche erinnern. Im Alten Testament heißt das „aufatmen“, also verschnaufen und den Odem spüren, mit dem Gott alles Leben beseelt.
Das Sabbatgebot ist doppelt begründet. Ich soll innehalten, so wie der Schöpfer selber am siebten Tag ruhte und „Atem holte“ (2. Mose 20,11; 31,17). Und ich soll mir bewusst machen, dass Arbeit mich auch versklaven kann. Das ist der zweite Grund für den Sabbat: Gott erinnert die Israeliten daran, dass er sie aus dem „Sklavenhaus“ Ägyptens befreit hat (5. Mose 5,6). Sie sollen nicht wieder in den Status der Abhängigkeit und Fremdbestimmung zurückfallen. Arbeiten ist kreativ und produktiv. Aber es kann auch entfremden, abhängig und krank machen.
Das Leben ist mehr als Arbeit. Das predigt Jesus, der Zimmermann aus Nazareth. Die Vögel unterm Himmel und die Lilien auf dem Felde sind für ihn der Beweis: Sie arbeiten nicht, und Gott ernährt und kleidet sie trotzdem. Wohlergehen hängt nicht von dem ab, was wir tun. Wir sollen uns selbst nicht zu viel zumuten und Gott nicht zu wenig zutrauen.