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Luther, der Superstar 2.0

Er greift in die Kunstgeschichte wie in eine Spielzeugkiste. Pop-Art-Künster Moritz Götze scheut sich nicht vor religiösen Themen. Jetzt stellt er in der St. Jacobikirche von Stralsund aus.

Der Mönch Martin Luther inmitten unserer modernen Gesellschaft
Der Mönch Martin Luther inmitten unserer modernen GesellschaftJuliane Voigt

Stralsund. Die St. Jacobikirche in Stralsund ist eine der großen Stadtkirchen. Vor ein paar Monaten ist sie nach umfangreicher Sanierung als Kulturkirche eröffnet worden. Der Hallenser Pop-Art-Künstler Moritz Götze hat jetzt für seine Ausstellung „Luther – Superstar 2.0“ große Trennwände eingezogen und die Hallenkirche in eine Kunsthalle verwandelt.
Mit Kirchen kennt er sich aus. Im thüringischen Bernburg hat er den Innenraum der St. Aegidius-Kirche mit seinen bunten und wie zu riesigen Puzzles ausgesägten Comics aus Emaille mit Motiven aus Gleichnissen und biblischen Geschichten gestaltet. Insofern hat er Erfahrung mit Kirchenräumen, sagt er. „Wobei man einfach sagen muss, dass natürlich so norddeutsche Backsteingotik doch sehr monumental ist. Insofern habe ich mich auch ein bisschen gefürchtet davor, dass ich den Raum nicht verletze, dass er seine Würde behält, aber auch, dass ich das von der Monumentalität des Raumes auch bespiele. Denn wenn ich meine normalen Bilder oder Zeichnungen hier reinhänge, sieht das aus, als ob ich meine Briefmarkensammlung ausstelle.“ Moritz Götze hat die Kirche wirklich kleingekriegt.

Luther in unserer modernen Gesellschaft

Zentral und überlebensgroß: der Mönch Martin Luther. Inmitten unserer modernen Gesellschaft. Götze greift Luther als Ikone seiner Zeit auf und übersetzt ihn in die Gegenwart. Um ihn herum Zivilisationsmüll und die Depression unserer Gesellschaft.
Mitte der 1980er-Jahre hatte Moritz Götze als Aktionskünstler in Halle angefangen. Heute ist er einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Pop-Art. Im Bewusstsein der jahrhundertealten Präsenz populärer Kunst in Deutschland greift er in die Kunstgeschichte wie in eine Spielzeugkiste und nimmt sich heraus, was sich sonst keiner trauen würde.
Nach Motiven von Lucas Cranach dem Älteren hat er einen Klappaltar ausgeführt. Aus Emaille und Stahl. Seine Heiligen aber sind ganz normale Frauen in unserer Zeit. Margarethe in rotem Kleid. Das ihr symbolisch zugeordnete Ungeheuer ist eine Battletag-Figur aus dem Reich der aktuellen Kinderzimmer-Monster.

Beängstigende Tiefgründigkeit

Es sind viele berühmte Cranach-Motive, die Götze aufgreift. Er sieht durchaus frühe Comics darin. Und erkennt einen cleveren Medienprofi. Luther ist unter anderem durch die Porträt-Massenproduktion aus der Cranach-Malwerkstatt bekannt geworden. „In der Symbiose mit Cranach und Gutenberg war Luther medial einfach auf der Höhe der Zeit“, sagt Götze. „Also im Prinzip ist da die Medienrevolution losgegangen. Die Schriften und die Briefe, die Luther veröffentlicht hat, sind wirklich in ganz Deutschland publik geworden und wurden diskutiert.“ Luther Superstar 2.0.
Die Art, wie Götze den Betrachter in seine Bilderwelt zieht, erscheint erst einmal leicht. Je mehr man sich aber hineinbegibt, spürt man auch eine beängstigende Tiefgründigkeit. Seine anarchische Fröhlichkeit zeigt, wie gefährdet unsere Welt ist.
Info
Die Ausstellung in der St. Jacobikirche in Stralsund ist noch bis Oktober zu sehen.