Für Menschen mit Sprachproblemen ist es gut, vormittags Zeit zu haben. „Sie müssen nur ein bis zwei Monate auf einen Therapiebeginn warten“, sagt der Logopäde Axel Bützow. Er leitet eine Praxis mit vier Mitarbeitern in Mühlacker (Enzkreis). Die Vormittagstermine nehmen meist Senioren wahr oder Kinder mit einem Elternteil, der wenig oder gar nicht arbeitet. Wer nur nachmittags Zeit habe, stünde bestimmt sechs Monate auf der Warteliste. Am schwierigsten ist es für Leute, die nur nach 17 Uhr zum Logopäden kommen können.
In seiner Praxis behandeln er und seine Kollegen Menschen jeden Alters. Säuglinge, die Probleme beim Trinken haben, Kita-Kinder, die bestimmte Buchstaben nicht aussprechen können, 40-Jährige, bei denen die Stimme schwächer wird, oder Senioren, die nach einem Schlaganfall eine Mundhälfte nicht mehr kontrollieren können.
Doch bundesweit gibt es zu wenig Logopäden: das Statistische Bundesamt verzeichnete 33.000 für ganz Deutschland im Jahr 2023. Der Deutsche Bundesverband für Logopädie (dbl), einer der Verbände der Branche, verweist bezüglich der Therapienachfrage auf einen Bundesbericht des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen: Dort heißt es, Ärzte hätten 2023 im Bereich der Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie mehr als 1,8 Millionen Verordnungen ausgestellt. Die Bundesagentur für Arbeit listet den Beruf in der Engpassanalyse auf. „2023 brauchte es im Schnitt 146 Tage bis eine freie Stelle in der Logopädie besetzt werden konnte“, heißt es. Eine Schieflage ist erkennbar.
Ein stichprobenartiges Durchforsten der Webseiten von Logopädie-Praxen in Baden-Württemberg bestätigt das Bild. Sei es Freiburg, Stuttgart, Offenburg oder Ulm – immer wieder ploppen Fenster auf wie: „Wir suchen zur Verstärkung unseres Teams einen Logopäden.“
Bützow bestätigt den Mangel für seinen ländlichen Bereich. Er suche auch gerade einen weiteren Mitarbeiter. Seiner Auffassung nach ist der Beruf im Vergleich mit anderen nicht attraktiv genug. Beispielsweise bekämen Anfänger in einer Ausbildung oft kein Gehalt. „Da verlieren wir im Vergleich mit anderen Berufen, in denen die Auszubildenden vom ersten Monat an Geld bekommen“, urteilt Bützow. Und auch später seien die Verdienstmöglichkeiten geringer.
Ähnlich sieht es auch der dbl: Ausbildungs- und Studienkapazitäten müssten ausgebaut und angemessen entlohnt werden. „Um junge Menschen für den Beruf zu gewinnen und Fachkräfte zu halten, müssen die Arbeitsbedingungen attraktiv und insbesondere familienfreundlich ausgestaltet werden“, schreibt Klaudia Kasek vom Pressereferat des dbl.
Eine Ursache für die hohe Nachfrage nach Therapien ist ihrer Meinung nach, dass die Menschen heute für bestimmte Themen, wie etwa Sprachentwicklung, sensibilisiert seien. „Daher suchen sie eher logopädischen Rat als früher.“
Eine große Rolle spiele aber vor allem der demografische Wandel – die älter werdenden Menschen. So steige der Behandlungsbedarf der Bürger auch dadurch, dass einige Krankheiten, bei denen eine logopädische Therapie hilft, häufiger im Alter auftreten, etwa Demenz. „Zugleich scheiden viele Beschäftigte altersbedingt aus dem Berufsleben aus, ohne dass es ausreichend Nachwuchs gibt“, so Kasek. (1384/11.06.2025)