Viele Bundesbürger sorgen sich, dass die Pflege für sie unbezahlbar wird. Die Kosten steigen auch deshalb, weil Pflegekräfte mehr verdienen sollen, damit der Beruf attraktiver wird. Ein Dilemma.
Die Rechnung erklärt sich von selbst: Weil Deutschland stark altert, werden mehr Pflegekräfte benötigt. Und die gibt es nur, wenn der Beruf attraktiv ist und gut bezahlt wird. Schon seit Jahren fordern die Pflegeverbände deshalb höhere Löhne für die rund 1,2 Millionen Pflegekräfte in der Alten- und Langzeitpflege. Und haben damit Erfolg.
So hat die Politik den Mindestlohn in der Altenpflege in mehreren Schritten erhöht: Für Pflegehilfskräfte gibt es ab Juli 2025 eine Anhebung auf 16,10 Euro, für qualifizierte Pflegehilfskräfte auf 17,35 Euro und für Pflegefachkräfte auf 20,50 Euro pro Stunde. Außerdem hat die Bundesregierung festgelegt, dass seit Herbst 2022 nur noch diejenigen Pflegeeinrichtungen mit der Pflegeversicherung abrechnen können, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach einem Tarif bezahlen.
Die Folge: Beschäftigte in Heimen und ambulanten Pflegediensten verdienen mittlerweile oft gutes Geld. Ihre Löhne sind in diesem Jahr deutlich gestiegen, wie am Freitag veröffentlichte Daten des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen belegen. Demnach sind die durchschnittlichen Stundenlöhne deutlich gegenüber dem Vorjahr um 8,8 Prozent auf 22,60 Euro gestiegen. Zuletzt waren eher Zuwächse von rund 2 Prozent üblich.
Je nach Beschäftigtengruppe sind die Zuwächse unterschiedlich. So betragen die neuen Durchschnittslöhne für Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung deutschlandweit zukünftig 19,26 Euro und damit knapp 9,9 Prozent mehr als 2023. Hilfskräfte mit mindestens einjähriger Ausbildung, sogenannte Pflegeassistenzkräfte, erhalten künftig im Schnitt 21,41 Euro – ein Plus von etwa 9,6 Prozent. Und für voll ausgebildete Pflegefachkräfte steigt der Stundenlohn um knapp 9,2 Prozent auf durchschnittlich 25,93 Euro.
Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der Kassen, bewertet die Entwicklung für die Beschäftigten als Erfolg. “Die höheren Durchschnittslöhne in der Altenpflege zeigen, dass sich Pflegekräfte insgesamt auf eine faire Bezahlung verlassen können.”
Die Sache hat allerdings einen Haken: Die Pflegeversicherung übernimmt nur einen Teil der Kosten für die Pflege. Bewohner von Heimen müssen Eigenanteile für Pflege, Hotelkosten und Personal tragen. Damit die Pflegeeinrichtungen höhere Löhne für die Pflegekräfte gegenfinanzieren können, müssen sie oftmals die Eigenanteile für die Pflegebedürftigen anheben. “Schon jetzt sind immer mehr Pflegebedürftige nicht mehr in der Lage, die Zeche zu zahlen”, kritisiert Eugen Brysch, Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz.
Nach einer Statistik des Verbandes der Ersatzkassen zahlten Bewohner von Alten- und Pflegeheimen im Juli im Schnitt jeden Monat für das erste Jahr Pflege im Heim 2.871 Euro aus eigener Tasche zu. Darunter waren im Schnitt 1.678 Euro für die Löhne des Pflegepersonals. Tendenz: stark steigend. Um diesen Trend abzufedern, hatte die Bundesregierung beschlossen, dass die Pflegekasse seit 2022 einen prozentualen Anteil vom Pflege-Eigenanteil übernimmt.
Dennoch: Die Kosten explodieren. “Wenn wir nichts dagegen machen, kommen wir in ein paar Jahren auf Eigenanteile von 4.000 Euro pro Monat”, warnte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Sommer. Auch Patientenschützer und der Sozialverband Vdk sorgen sich, dass Pflege immer mehr zum Armutsrisiko werde. Schon jetzt sind immer mehr Pflegebedürftige auf Unterstützung vom Sozialamt angewiesen.
Die privaten Krankenversicherungen sehen das allerdings völlig anders. Über 70 Prozent der Rentnerhaushalte in Deutschland könnten sich eine stationäre Pflege über mehrere Jahre leisten, argumentieren sie. “Wenn man nicht nur das Einkommen, sondern auch die Vermögenslage der Rentner berücksichtigt, können sie die Eigenanteile im Pflegeheim von rund 3.000 Euro monatlich aus eigener Kraft fünf Jahre lang tragen”, heißt es. Auch bei Sozialverbänden gibt es die Forderung, wohlhabende Rentner stärker an die Pflegekosten zu beteiligen.