Artikel teilen

Lippe blickt nach vorn

Welche Aufgaben hat die Kirche angesichts der Bevölkerungsveränderung? Lippische Synode zu Demographie und Asylpolitik

BAD SALZUFLEN ­– Bevölkerung und Gesellschaft verändern sich rasant – wie muss die Kirche reagieren, damit sie ihren Auftrag auch weiterhin erfüllen kann? Was ist überhaupt dieser Auftrag?
Fragen, die auch der Lippischen Landeskirche unter den Nägeln brennen. Sie ist eine der kleinsten evangelischen Kirchen Deutschlands (rund 163 000 Mitglieder). Die demographische Entwicklung stellt sich ihr als besondere Herausforderung.
Jetzt kam in Bad Salzuflen die Landessynode, das Parlament der lippischen Landeskirche, zur Sommertagung zusammen, um über diese Fragen zu beraten.

Stärker auf soziale Aufgaben konzentrieren

Einen ersten Impuls gaben Forscher der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld-Bethel. Sie forderten die Kirche auf, sich stärker auf den sozialen Auftrag zu besinnen. „Dieser Auftrag besteht nicht in Selbsterhaltung, sondern im Dienst an den Menschen“, sagte der Theologieprofessor Thomas Zippert, der gemeinsam mit dem Erziehungswissenschaftler Frank Dieckbreder den Einführungsvortrag hielt. „Gutes zu tun, wird heute mehr als plausibles Zeugnis wahrgenommen als eine gute Predigt oder ein gutes Gottesdienst- und Veranstaltungsangebot“, so Zippert vor der Synode.
Die beiden Wissenschaftler regten statt einer Komm- eine Gehenstruktur in der Kirche an. Im Missionsbefehl am Ende des Matthäusevangeliums sage Jesus nicht „bleibt in euren Kirchen und macht Angebote für alle“, sondern „gehet hin in alle Welt“. Und zwar zu denen, „die uns brauchen, also die Armen, Elenden, Hilfsbedürftigen“. Dies bedeute im Kopf das „Experiment“ zu vollziehen: „Erst Diakonie, dann Verkündigung“. Eine besondere Rolle käme dabei den Kirchengemeinden zu, die im Sinne einer Nachbarschaftshilfe in die diakonische Arbeit eingebunden werden könnten.
Klaus Schafmeister vom Kreis Lippe lieferte Daten und Fakten zum demographischen Wandel, das Forumtheater „inszene“ aus Köln bot Gedankenanstöße mit interaktivem Theater. In Arbeitsgruppen wurden diese Anregungen vertieft. Themen waren unter anderem die Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Gemeinden, die Erwartungen an Kirche oder auch Erfahrungen mit sozialraumorientierter Arbeit in der Gemeinde.
Besorgt zeigte sich das Kirchenparlament über eine wachsende Islamfeindlichkeit in Teilen der Gesellschaft. Es verurteilte „Stimmungsmache gegenüber Muslimen oder dem Islam“ und kritisierte vor dem Hintergrund des kürzlich verabschiedeten AfD-Parteiprogramms, auch in der Politik gebe es Vorschläge, die auf eine Einschränkung religiöser Ausdrucksformen für Muslime hinauslaufen würden. Insbesondere durch das EU-Türkei-Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland sieht die lippische Kirche grundlegende Menschenrechte verletzt. „Das individuelle Asylrecht für Menschen, die Europa schon erreicht haben, wird faktisch außer Kraft gesetzt“, erklärte die Landessynode und appellierte an die Bundesregierung, „neue Zugangsmöglichkeiten für Geflüchtete auch nach Deutschland zu schaffen“. Durch die jüngsten Asylrechtsänderungen sei das grundgesetzlich garantierte Asylrecht weiter ausgehöhlt worden.

Zeitplan für Entscheidung über Selbstständigkeit

Wie sich die Lippische Landeskirche künftig aufstellen muss, um weiter eigenständig bleiben zu können, will die Landessynode im Frühjahr 2018 entscheiden. Nach dem jetzt beschlossenen Zeitplan sind für den kommenden Herbst drei regionale Informationsveranstaltungen für die kirchliche Basis geplant. Anschließend sollen die zu klärenden Themen in den bestehenden Gremien der lippischen Kirche intensiv erörtert werden.