Noch bevor ich lesen konnte, liebte ich Geschichten. Zwei, drei Mal vorgelesen, kannte ich sie auswendig und tat dann so, als ob ich lesen könne, während ich durch das Buch blätterte. Sobald ich es dann wirklich konnte, hörte ich nicht mehr auf. Bücher über Bücher stapelten sich – und die ganze Welt zog in mein Kinderzimmer ein. Klaus Kordons Trilogie der Wendepunkte führte mich an ernste Bücher heran, die ersten von vielen.
In meiner Familie wurde nicht viel gelesen, meine Bücher waren die einzigen im Haus. Nur in meiner Patentante fand ich eine Verbündete. Sie schickte mir Bücher, sprach mit mir darüber, wollte wissen, was ich las, sie lieh mir alles, was in ihrem Regal stand – ihre Lieblinge Kästner und Kordon, Hesse, Böll, McCourt und Dische. Ich las Literaturnobelpreisträger lange vor meinem Deutsch-Leistungskurs, Politiker-Biografien, Bücher über Israel. Ihre Vorlieben wurden meine und dann entwickelte ich meine eigenen dazu.
Lesen fördert den Wissensdurst
Lesen eröffnete mir Welten, entführte mich in ferne Länder, an fremde Orte, lesen beruhigte mich, regte mich auf, brachte mich zum Lachen und rührte mich zu Tränen. Kein Tag ohne Buch in der Hand.
Was ich als Kind instinktiv begriff, war, wie wichtig es war, zu lesen. Je mehr man liest, desto besser versteht man die Welt. Lesen lehrt kritisches Denken, es fördert den Wissensdurst. Und je mehr man liest, desto begieriger wird man, mehr zu lernen.
Studien zufolge trägt der spielerische Umgang mit Büchern, das Vorlesen und Erzählen im Elternhaus wesentlich dazu bei, dass Kinder und Jugendliche Freude am Lesen entwickeln. Über Geschichten werden Wortschatz, Fantasie und soziale Kompetenz gestärkt. Lesen gilt als DER Schlüssel zum Bildungserfolg.
„Etwas Geschriebenes, einen Text mit Augen und dem Verstand erfassen“, so definiert der Duden das Lesen. Die Bedeutung reicht jedoch über diesen technischen Aspekt weit hinaus, Lesen gilt als „eine der wichtigsten traditionellen Kulturtechniken“ und „wesentliche Voraussetzung für die kulturelle Entwicklung des Menschen“ sowie der Gesellschaft als solcher.
Bücher als Quellen der religiösen Offenbarung
Noch dazu ist Lesen gesund. Es kann den Blutdruck und die Herzfrequenz senken und Verspannungen lösen. Lesen öffnet den Geist, wir setzen uns mit einer Vielzahl von Ideen und Denkweisen auseinander und lernen Akzeptanz und Offenheit.
Das Lesen spielt auch eine bedeutende Rolle in vielen Religionen. Denn im Judentum und Islam, im Hinduismus und im Christentum dienen Bücher als Quellen der Offenbarung, der spirituellen Anleitung und der Überlieferung religiösen Wissens. Im Hinduismus gibt es die Vedas, eine Sammlung heiliger Texte, für den Islam ist es der Koran. Im Judentum sind es die Heiligen Schriften, die Christen später als Altes Testament bezeichnet und denen sie ihr Neues Testament hinzugefügt haben – die Bibel. Sie ist eine Quelle der Inspiration, des Glaubens und der ethischen Anleitung.