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Lehrer: Fingerspitzengefühl bei rechtsextremen Vorfällen nötig

Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands Hessen, Boris Krüger, hat zu „pädagogischem Fingerspitzengefühl“ bei rechtsextremistischen Vorfällen an Schulen geraten. Vor einer möglichen Sanktionierung sollten Lehrkräfte ohne erhobenen Zeigefinger zunächst mit den Schülerinnen und Schülern über deren Motive ins Gespräch gehen und dabei auch aufklären. „Teilweise wissen sie gar nicht, was an ihrem Verhalten falsch war“, sagte Krüger im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zugleich seien bei allem Verständnis allerdings auch „ganz klare rote Linien zu ziehen“.

Wie das hessische Kultusministerium mitteilte, wurden bis Anfang August bereits 102 Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund an Schulen gemeldet. Bei fast der Hälfte gehe es um Schmierereien, etwa das Anbringen von Hakenkreuzen oder anderen rechtsextremistischen Kennzeichen an Schulgebäuden. „In knapp einem Viertel der Fälle wurde von Schülern der sogenannte Hitlergruß gezeigt oder rechtsextremistische Parolen gerufen“, so das Ministerium. Zu den weiteren Fällen gehörten Beiträge mit rechtsextremistischen Inhalten in sozialen Medien. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 waren 14 Vorfälle gemeldet worden, im Jahr 2022 zwölf und im vergangenen Jahr 37.

Den Anstieg der Zahlen führen das Kultusministerium und Krüger auch auf soziale Medien zurück. „Da gab es eine Zeitlang die Challenge, den Hitlergruß zu machen“, sagte Krüger. Dass die Rolle dieser Medien in den vergangenen Jahren stark zugenommen habe, sei mitsamt den Auswirkungen „von Politik und Schule nicht genau genug beachtet worden“. Die über Jahre vernachlässigte Gefahr, dass sich Schüler nur noch über soziale Medien informieren, falle „uns jetzt vor die Füße“.

Dass der Rechtsextremismus an Schulen spürbar stärker geworden sei, habe jedoch viele Gründe. Dazu zählten die generelle Verschiebung des Diskurses in der Gesellschaft nach rechts, Folgen der Einsamkeit und starke Bindung zu sozialen Medien während der Corona-Zeit sowie der Wille zur Provokation seitens der Schülerschaft. Viele Lehrkräfte seien verunsichert, sagte Krüger. In den vergangenen Jahren habe eine Sensibilisierung für das Thema stattgefunden. Was früher als „Dummer-Jungen-Streich“ abgetan worden sei, werde heute von den Lehrerinnen und Lehrern angesprochen, sagte der Lehrer für Latein und Geschichte.

Wenn Schüler nach einem oder mehreren Gesprächen an rechtsextremen Gedankengut festhalten, müsse „zu Sanktionen gegriffen werden, bis hin zum Einschalten der Polizei“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass in der Schule alles gesagt werden könne, sagte Krüger.