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Lebenshilfe übernimmt Lukas-Buchhandlung in Frankfurt/Oder

Die Liebe zu den Büchern hat Karl-Heinz Möckel im Blut. Nun gibt er nach 33 Jahren als Geschäftsführer seiner „Lukas-Buchhandlung” in Frankfurt (Oder) den Laden an den Verein “Lebenshilfe” ab.

Karl-Heinz Möckel vor der "Lukas-Buchhandlung" in Frankfurt/ Oder
Karl-Heinz Möckel vor der "Lukas-Buchhandlung" in Frankfurt/ OderKatharina Körting

Die Regale, solide regionale Tischlerarbeit, sind leergeräumt. Das Restsortiment steht in Plastikkisten mit Zetteln beschriftet auf dem Boden: „Bibeln“, „Kinderbücher“, „Lernhefte“. Karl-Heinz Möckel, seine Frau Monika und zwei Angestellte, die ebenfalls in Rente gehen, schlängeln sich geschickt hindurch. „Am 31. Januar machen wir endgültig zu“, erklärt der Inhaber der christlichen Lukas-Buchhandlung. 33 Jahre lang hat er die Geschicke des Geschäfts geleitet. Nun hört der 76-Jährige auf, und das fällt ihm nicht leicht. „Man sagt mir, du musst doch auch leben“, meint er, „aber ist Arbeit nicht auch Leben?“

Er sitzt im engen Büro des Geschäfts in der Franz-Mehring-Straße 4, gelegen in der ehemaligen Küsterei der benachbarten katholischen Kirche Heilig Kreuz. Die letzte Inventur ist in vollem Gange: Der Schreibtisch quillt über von Büchern, Akten und Papieren. „Ich bin 33 Jahre jeden Tag früh und gerne auf Arbeit gegangen“, erinnert sich Möckel. Klar sei er auch „mal kaputt gewesen, aber das ist mein viertes Kind hier“.  Mehr noch als der Umgang mit Gedrucktem wird ihm der Umgang mit Menschen fehlen. „Wir haben dem Kunden das Gefühl gegeben, dass wir für ihn da sind“, sagt Möckel, „egal, ob er gläubig ist oder nicht.“

Verwurzelt in seiner Heimatgemeinde St. Georgen

Es gab auch weltliche Literatur, der größte Teil der Kundschaft bestand aus Nicht-Christen. Die Lukas-Buchhandlung versorgte auch sie mit Noten, Schulbüchern, Devotionalien, Postkarten und allerlei Geschnitztem aus dem Erzgebirge: Nussknacker, Räuchermänner. Im Mittelpunkt stand immer, dass „der Kunde“ zufrieden war. „Natürlich muss ich mein Auskommen haben, aber Wertschätzung ist mir mehr wert als das Geld.“

Und mit Geld kennt er sich aus. Der gebürtige Frankfurter, Sohn eines Eisenbahners und Sozialdemokraten, lernte zwar zunächst Elektromonteur, war zu DDR-Zeiten 18 Jahre Beamter der Staatsbank, und das „richtig gerne“. Aber er betätigte sich auch in der CDU und in der Kirche. „1985 haben sie mich gefeuert, weil ihnen das nicht gepasst hat.“ Nach kurzer Arbeitslosigkeit wurde er Finanzer im Landgut Gronenfelde der Diakonie, er erwog auch, „nach dem Westen abzuhauen“.

Und ist doch geblieben, verwurzelt in seiner Heimatgemeinde St. Georgen, spielte in Altenheimen sein Akkordeon, half bei Lesungen etwa von Anneliese Probst, „einer sehr mutigen Frau“, die aus noch nicht staatlicherseits genehmigten Büchern vortrug. Auch kümmerte er sich um christliche Büchertische, „da bin ich so reingerutscht, weil ich Bücher liebe“.

Nach Mauerfall: Als CDU-Abgeordneter im Landtag

Und dann fiel die Mauer. „Das größte Glück in meinem Leben, nach meiner Familie, war die Wiedervereinigung“, sagt Möckel, heute Großvater von sieben Enkeln, „und die glücklichste Zeit waren meine Jahre als Buchhändler.“ Einige Jahre engagierte er sich als CDU-Abgeordneter im Landtag, ohne je zu polarisieren. „Wichtig ist, dass wir Demokraten zusammenhalten“, betont er. Ab 2009 arbeitete sein Sohn Michael mit im Geschäft. Er hätte es übernehmen können, doch es kam anders. Michael Möckel ist Lehrer geworden – „auch wichtig“, räumt der Vater ein.

Für Stammkundinnen bricht derweil ein sozialer Anker weg. „Was soll ich denn ohne Sie machen?“, fragen sie. Möckel erzählt es mit Tränen in den Augen. Während Pfarrer Gottes Wort von der Kanzel weitergeben, mache er das mit Büchern. Mitunter hätten sich tiefe, ja seelsorgerliche Gespräche ergeben.

Wiedereröffnung nach der Renovierung Ende März

Und auch ihm selbst wurde der eine oder andere Engel geschickt. Ein christlicher Buchhändler aus Bayern etwa, den er auf der Leipziger Buchmesse kennenlernte. „Im Buchhandel werden Sie nie ein reicher Mann“, hatte der ihm gesagt, „aber wenn Sie genügsam leben, dann können Sie davon leben.“ Und so war es auch. Mithilfe eines privaten Bürgen gibt es seit 1990 – bis 1997 noch in der Berliner Straße – wieder einen christlichen Buchladen in Frankfurt – der letzte hatte 1963 dichtgemacht.

Nun übernimmt die Lebenshilfe, Wiedereröffnung ist nach der Renovierung Ende März geplant. Und Karl-Heinz Möckel widmet sich dem Ruhestand, hilft im Förderverein der St. Marienkirche, bleibt im CDU-Ortsverein und in der „Partnerschaft der Parlamente e. V.“ aktiv. Und wer weiß, vielleicht schreibt er selbst mal ein Buch?