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Langjähriger vatikanischer “Sozialminister” Turkson wird 75

Seit dem Konzil war unter den Kurienkardinälen (fast) immer ein Afrikaner. 2009 kam Peter Kodwo Appiah Turkson aus Ghana in die Vatikan-Zentrale. Nun wird der langjährige vatikanische “Sozialminister” 75.

Seit eineinhalb Jahrzehnten ist Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson das freundliche Gesicht und die Stimme Afrikas in der vatikanischen Kurie. Zunächst war er Präsident des Rates “Iustitia et pax”, dann wurde er Präfekt der neu geschaffenen Entwicklungsbehörde; und seit gut einem Jahr ist Turkson Präsident der renommierten Päpstlichen Wissenschaftsakademien. Am Mittwoch (11. Oktober) wird er 75 Jahre alt.

Als vatikanischer “Sozialminister” musste Turkson die katholische Soziallehre fortschreiben – und große Menschheitsfragen kirchlich beleuchten: Gerechtigkeit und Frieden, Entwicklung und gesellschaftlicher Fortschritt, Menschenrechte und Religionsfreiheit, humanitäre Hilfe, Umweltschutz und Klimakrise. Dazu erarbeitet seine Behörde Dossiers und Erklärungen für den innerkirchlichen Raum wie für den gesellschaftlichen Diskurs. Sie organisiert vielbeachtete Kongresse zu einem breiten Themenfächer: atomare Abrüstung, Abschaffung der Todesstrafe, gerechtes Gesundheitswesen oder das Menschenrecht auf Trinkwasser.

Außerdem musste der Kardinal, der fünf Sprachen spricht – in den späten 70er Jahren machte er auch einmal Pfarrvertretung im bayrischen Illertissen -, viel reisen. Er vertrat den Heiligen Stuhl bei internationalen Konferenzen, sprach vor der UNO in New York, äußerte sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos und bei deutschen Katholikentagen. Zudem entsandte der Papst ihn immer wieder als Mittler in Kriegs- und Krisengebiete: an die Elfenbeinküste, in die Ukraine, die Ebola-Regionen im Osten des Kongo.

In Rom war der stets besonnen wirkende Kirchenmann ein gefragter Gesprächspartner. Das Sozialministerium gilt auch als inoffizielles vatikanisches Außenministerium – für Spitzenpolitiker und Kirchenführer, aber ebenso für Personen, die (noch) nicht mit dem Staatssekretariat in Kontakt treten wollen.

Wie viele Bischöfe Afrikas hat auch Turkson eine römische Vergangenheit. Der Sohn eines katholischen Zimmermanns und einer methodistischen Verkäuferin studierte in seiner Heimat Ghana, am Biblicum in Rom und in New York. Nach Professoren-Jahren wurde er mit 44 Jahren Bischof von Cape Coast. Ein Jahr später nahm er 1994 an der ersten Afrika-Synode in Rom teil – und später mehrfach an Weltbischofstreffen.

Dennoch war Turksons Erhebung zum Kardinal 2003 – er ist der erste aus Ghana – eine Überraschung; auch weil Papst Johannes Paul II. dabei den Oberhirten der Hauptstadt Accra überging. Benedikt XVI. machte Turkson dann zum “Sozialminister” und zum Präsidenten von “Iustitia et pax”. Papst Franziskus bestätigte Turkson – der vor dem Konklave von 2013 durchaus als “papabel” galt – in diesem Amt. Er wurde maßgeblicher Mitarbeiter an Franziskus’ großen Enzykliken “Laudato si” und “Fratelli tutti” – für Umwelt- und Klimaschutz und Geschwisterlichkeit.

Als 2016 im Zuge der Kurienreform die vier Sozialbehörden aufgelöst und im “Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen” neu aufgestellt wurden, beförderte er Turkson zum ersten Präfekten. Eine Herkules-Aufgabe. Und: Zu Turksons Stärken zählen eher Inhalte und Seelsorge als Verwaltungs- und Managementkompetenz. Es haperte beim Umbau.

Belastend hinzu kam eine pikante Personallage. Papst Franziskus, dem die Sorge um Migranten am Herzen liegt, machte den dafür zuständigen Abteilungsleiter, Turksons Untersekretär Michel Czerny, 2019 zum Kardinal – stellte ihn damit auf die gleiche Stufe mit dem Präfekten. Ein Konflikt war vorprogrammiert. Eine im Sommer 2021 durchgeführte Visitation habe in der Behörde gravierende Führungsmängel ermittelt, hieß es. Für Turkson gab es nach Ende seiner fünfjährigen Amtszeit vom Papst keine Verlängerung.

Allerdings erhielt Turkson eine ehrenvolle Anschlussaufgabe: als Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften sowie jener der Sozialwissenschaften; zwei auch mit Nobelpreisträgern besetzte Thinktanks, die den Papst in naturwissenschaftlichen und sozialethischen Fragen beraten. Damit hat der Kardinal weiter die Möglichkeit, Zukunftsfragen für Erde und Menschheit im interdisziplinären Austausch zu vertiefen: von der Klimaforschung bis zur Covid-Bekämpfung, von Organhandel bis zur Ernährungskrise.