Der Theologische Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen, Ulf Schlüter, sieht die christliche Botschaft in Krisenzeiten besonders gefragt. Die Kirche sollte sich auf ihren Auftrag besinnen, „das Licht des Evangeliums leuchten zu lassen in dieser zerrissenen, disparaten, widersprüchlichen Welt“, sagte er am Montag vor der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld. In seinem Jahresbericht vor dem Kirchenparlament forderte er dazu auf, sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch als Teil der Realität der evangelischen Kirche wahrzunehmen. Es gebe sie auf allen Ebenen, in allen Arbeitsbereichen und in allen Formen.
Viele Menschen seien „müde und mürbe“ geworden angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, des Klimawandels und der Flüchtlingskrise, sagte der Theologe. Trotz dieser Krisen habe die Kirche „einen großen, hell glänzenden Schatz“, erklärte Schlüter, der seit dem Rücktritt der früheren Präses Annette Kurschus vor einem Jahr als Theologischer Vizepräsident kommissarisch an der Spitze der viertgrößten deutschen Landeskirche steht.
Auch die aktuellen Krisen der westfälischen Kirche sprach Schlüter in seinem Bericht an. Dazu zähle die anhaltende Vakanz des theologischen Leitungsamts – die Kurschus-Nachfolge entscheidet sich vermutlich erst im Frühjahr. Unter Druck steht die westfälische Kirche auch wegen eines Millionenlochs im Haushalt. Im kommenden Jahr soll ein Haushaltssicherungskonzept verabschiedet werden, der Haushalt auf der landeskirchlichen Ebenen muss bis 2028 dauerhaft um rund 14 Millionen Euro gekürzt werden. „Wir müssen dringend und wir werden umfassend umbauen“, kündigte Schlüter an.
Finanzdezernent Arne Kupke wies in seiner Haushaltsrede vor dem Kirchenparlament auf den Einbruch der Einnahmen hin. Zu stagnierender Wirtschaftslage und mangelnden Steuereinnahmen komme bei den Kirchen noch der demografische Faktor, sagte Kupke. „Wir werden jedes Jahr weniger und damit sinkt unsere Finanzbasis Jahr für Jahr.“ Kirchenaustritte steigerten diesen Effekt, „in letzter Zeit leider deutlich“. Zusätzlich belaste die Finanzkrise von Bund, Ländern und Kommunen auch die kirchlichen Haushalte.
Der Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Christian Heine-Göttelmann, kritisierte in einem Bericht vor der Landessynode die geplanten Einsparungen der NRW-Landesregierung im Sozialbereich. Die geplanten Kürzungen in Höhe von 83 Millionen Euro führten zu einer „Zeitenwende“ in der sozialpolitischen Landschaft, warnte Heine-Göttelmann. Die Einsparungen hätten eine Auflösung von Strukturen bei der Wohlfahrt und im Sozialstaat zur Folge.
Zum Synodenauftakt am Montagabend hatte Altpräses Kurschus in einer mit viel Applaus bedachten kurzen Rede vor der Synode gesagt, sie habe mit ihrem Rücktritt von allen kirchenleitenden Ämter vor einem Jahr Verantwortung übernommen und dafür „einen verflixt hohen Preis bezahlt“. Umso wichtiger sei ihr, „dass wir gerade im Blick auf die Aufarbeitung unseres Umgangs mit sexualisierter Gewalt in unserer Kirche konstruktiv weitergehen und uns alle bemühen, dass da Gutes draus entsteht“.
Die 61-Jährige war am 20. November vergangenen Jahres nach fast zwölfjähriger Amtszeit als leitende Theologin der westfälischen Kirche zurückgetreten. Zudem gab sie ihr Amt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ab. Grund war mangelhafte Kommunikation im Zusammenhang mit einem Missbrauchsverdacht gegen einen ehemaligen Kirchenmitarbeiter.