Was wollte der Künstler mit diesem oder jenem Bild ausdrücken? Diese Frage wird in Ausstellungen oft gestellt. Eine Schau in Erlangen will motivieren, eigene Deutungen einzubringen. Was sie auszeichnet.
Ein Raum, ganz in dunklem Blau gehalten. Nur zwei Bilder hängen hier: Das eine, klein und doch präsent zeigt Augen, die den Besucher zu verfolgen scheinen. Das andere nimmt fast die ganze Wand ein: links eine Frau mit verdrehten Augen. Krank oder besessen? Rechts kratzen Dämonen an ihre Haustür – gruselige Wesen mit Hörnern, Flügeln und gespaltenen Zungen. Dahinter eine friedliche Gebirgslandschaft mit funkelnden Sternen. Das Hintergrundrauschen, das aus einem Lautsprecher an der Wand kommt, fällt erst auf, wenn man bewusst darauf achtet. Es verleiht der Szene eine schaurige Stimmung.
Bis 12. Mai ist die Ausstellung “This Glass House” des 1987 in England geborenen Künstlers Lewis Hammond im Kunstpalais Erlangen zu sehen. Inspiriert sind seine Werke von Vorbildern, die aus der Renaissance bis hin zum Surrealismus reichen. Sie zeigen oft ihm nahe stehende Personen und laden ein, sie zu entdecken. Bisweilen werden dabei Details erst bei der Betrachtung aus der Nähe sichtbar.
Die Arbeiten lassen sich nur schwer auf einen bestimmten Aspekt festlegen. Der Künstler wolle damit auch keine eindeutigen Geschichten erzählen, erklärt die Leiterin des Kunstpalais, Amely Deiss: “Ich glaube, dass Lewis Hammon sehr viel von seinen Vorstellungen in die Bilder packt und dass sie für ihn viel klarer sind, dass er die Betrachter aber nicht beeinflussen will.” Es sei die Entscheidung des Künstlers, welche Interpretationsspielräume er lasse. Was die Bilder in jedem Fall transportieren, sind Stimmungen. “Aber ob man das als düster erachtet oder als besinnlich und damit eher positiv – auch da gibt es kein Richtig oder Falsch”, so Deiss.
Da ist etwa das Bild eines jungen Mannes. Seine Kleidung erinnert an einen Pyjama. Befindet er sich vielleicht in einem Traum? Hinter ihm zeigenrote Spitzen nach unten. Die Besucher interpretierten diese ganz unterschiedlich, erzählt Deiss: als herunterlaufendes Blut, als umgedrehte Kirchtürme, als Stalaktiten. Auch hier verändere sich die Stimmung des Gemäldes je nach Deutung.
Aber nicht nur etwaige umgedrehte Kirchtürme finden sich hier. Sakrale Anspielungen gibt es auch an anderen Stellen. In einem ganz in dunkelgrün gehaltenen Raum, der mit seinen runden Torbögen fast schon an eine Kapelle erinnert, hängt beispielsweise ein Bild, das von einem weiteren gemalten Bogen umrandet ist. Es zeigt einen Mann mit einem Kind, die beide, obgleich das Gemälde starr ist, in Bewegung zu sein scheinen. Der kurze Moment, der hier eingefangen wurde, steht in starkem Kontrast zu dem unendlich wirkenden Himmel dahinter.
Was auffällt: Auf einigen Bildern schauen viele Augen den Betrachter direkt an, auf anderen sind sie zwar Teil von Gesichtern, aber selten unmittelbar zu sehen. Das eine könnte mit dem anderen zusammenhängen, glaubt Deiss. Es gebe zwar keine Aussagen des Künstlers dazu, sie könne sich aber vorstellen, dass er den Augen deshalb so viele eigene Bilder gewidmet hat, weil sie sonst kaum zu sehen seien. Nur auf wenigen Bildern trifft einen ihr Blick direkt aus dem Gesicht eines Menschen.
Auch Kinder seien bisweilen fasziniert von den Werken, so die Museumsdirektorin. “Das ist eine Ausstellung, zu der jeder eine Verbindung aufbauen kann, weil nichts gefragt ist. Man muss nichts dazu wissen. Man muss eigentlich nur reingehen, es auf sich wirken lassen und schauen, was es mit einem macht.” Die Arbeiten zeigten auch etwas zutiefst Menschliches: “Dass man auch unterschiedliche Figuren kennenlernt, mit denen man sich teilweise verbunden fühlt.”