Neue Dokumente und Archivfunde zur Rolle von Papst Pius XII. während NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg sind in dieser Woche Thema einer internationalen Fachtagung an der Päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom. Experten und Institutionen diskutieren von Montag bis Mittwoch über Entdeckungen, die sie seit der Öffnung der Vatikan-Archive aus dem Pontifikat des Pacelli-Papstes (1939-1958) im März 2020 ausgewertet haben.
Zu den Initiatoren des dreitägigen Kongresses gehören das Holocaust Memorial Museum in Washington, das Jerusalemer Holocaust-Mahnmal Yad Vashem, das vatikanische Staatssekretariat, das Apostolische Archiv sowie die Botschaften Israels und der USA beim Heiligen Stuhl.
Als Redner stehen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni auf dem Programm. Außerdem sprechen die Washingtoner Holocaust-Forscherin Suzanne Brown-Fleming, der deutsche Historiker Hubert Wolf sowie der Sekretär der Vatikan-Kommission für die Beziehungen zum Judentum, der deutsche Salesianer Norbert Hofmann. Die Mitwirkung israelischer Teilnehmer war wegen des Krieges in Israel zuletzt fraglich.
Das überwiegende Schweigen von Papst Pius XII. zur Judenverfolgung im Dritten Reich belastet seit Jahrzehnten den katholisch-jüdischen Dialog. Viele Jahre stand der Streit um die Öffnung und Auswertung der verschlossenen Vatikan-Archive und um angeblich unterschlagene Geheimdokumente im Vordergrund.
Eine bilaterale Historikerkommission, die den Konflikt wissenschaftlich lösen sollte, ging nach nur zwei Jahren 2001 im Streit auseinander. In den vergangenen Jahren war die Polemik deutlich zurückgegangen, besonders seit der Vatikan im März 2020 vorzeitig seine Archive zum Pontifikat von Pius XII. öffnete. Seither suchen Forscher aus aller Welt in 16 Millionen Aktenblättern nach neuen Erkenntnissen und wetteifern um die Deutungshoheit.
Es gehe darum, den Streit um Pius XII. im jüdisch-katholischen Verhältnis auf eine objektive, wissenschaftliche Basis zu bringen und die frühere Polemik zu beenden, hieß es aus Kreisen der Veranstalter. Der Kongress wolle den aktuellen “Ist-Stand” der (durch Corona unterbrochenen) Forschungsarbeit erfassen. Angesichts der Fülle des Materials sei ein neuer, gesicherter Stand der Forschung frühestens in fünf Jahren zu erwarten, so die Organisatoren.