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Klosterleben im Spielzeugformat

Künstler stellt historische Geschichten mit Playmobil-Figuren nach

400 Playmobil-Mönche wuseln durch Klostergarten, Bibliothek und Weinberge. Nicht immer zu hundert Prozent realitätsnah, aber mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Künstler Oliver Schaffer musste sich für die Ausstellung im Kloster Eberbach noch extra Mönche beschaffen.

Da hockt er – mitten im Rhein. „Das darf nur ich“, sagt Oliver Schaffer, lacht und schiebt eine Spielzeug-Hecke wieder an die rechte Stelle. In seiner Hand trägt der Hamburger Künstler und leidenschaftliche Playmobil-Sammler ein Tablett mit Dutzenden Playmobil-Mönchen – ganz vorsichtig, damit keines der Männchen runterfällt.

Die Kulturlandschaft Rheingau mit Fachwerkhäuschen, Tannen und natürlich jeder Menge Weinberge ist eine der letzten Szenen, die der 42-Jährige für seine 50. Jubiläums-Ausstellung im Kloster Eberbach bei Eltville im Rheingau fertigstellt.
5000 Figuren und 50 000 Einzelteile aus seiner Sammlung sind hier bis 28. Oktober zu sehen. Nicht nur für Kinder ein Traum, wie der Playmobil-Fan betont: „Egal wie alt man ist, alle werden glücklich, wenn sie Playmobil sehen. Jeder kann sich mit den Figuren identifizieren.“

Playmobil-Sammlung mit 300 000 Figuren

Schaffer selbst kommt seit seiner Kindheit nicht mehr von den Figuren los. Stolz präsentiert er heute, einige Tage vor Ausstellungseröffnung, seine allererste Playmobilfigur: Einen Zirkusmitarbeiter, auf dessen Mütze „Oliver“ steht. Den hat sein Vater ihm damals geschenkt. Das war der Startschuss für seine Sammel-Leidenschaft.

Eigenen Angaben zufolge besitzt Oliver Schaffer mit mehr als 300 000 Figuren und über einer Million Einzelteilen die größte Playmobil-Schausammlung der Welt. Mittlerweile hortet er seinen Fundus in rund 700 Kisten und hat dafür extra ein Lager angemietet. Das steht allerdings in seiner Heimatstadt Kiel. In Hamburg seien die Mieten zu teuer, sagt Schaffer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sammlern lebt der frühere Musical-Darsteller also nicht mit seinen geliebten Figürchen unter einem Dach. Ein wenig Abstand tut jeder Beziehung gut. Einige seiner Figuren haben es 2009 übrigens sogar in den Pariser Louvre geschafft.

Für seine Schau im Kloster Eberbach hat Schaffer alle seine Mönche zusammengesucht. 50 Stück waren es. Nicht genug für eine ganze Ausstellung über das Klosterleben. Also hat er bei Playmobil angerufen und dort weitere 350 Mini-Mönche kaufen können, wie der Sammler berichtet. Und damit es den Ausstellungs-Besuchern nicht langweilig wird, sieht jeder Mönch ein wenig anders aus, wie Schaffer erklärt, während er in einer Schale mit lauter Playmobil-Köpfen wühlt. „Sollen ja keine Klon-Mönche sein“, betont er und steckt einem Mönch ein lachendes Gesicht auf den Hals.

Künstlerische Interpretation

Einige aus der Mönch-Truppe sitzen fleißig im ersten Diorama der Schau in der Schreibstube mit angrenzender Bibliothek und schreiben die Bibel und andere Bücher ab. So wie das Mönche damals gemacht haben. Die Szenen sind jedoch nicht eins zu eins realitätsgetreu, räumt der Künstler ein: „Das ist meine künstlerische Interpretation der Themen.“

Etwa ein halbes Jahr Planung braucht der Hamburger für seine Ausstellungen. Für die einzelnen Schaulandschaften nimmt er sich ungefähr einen Tag Zeit. Die Gestaltung läuft spontan: „Die Schaukästen sind meine Leinwand, die Figuren meine Farben.“

Feiern dürfen seine Playmobil-Figuren im Kloster Eberbach auch: Etwa im großen Fass im Cabinet-Keller bei der nachgestellten Feier im Kisselbachtal. Hier erheben Hunderte kleine Bauern ihr Glas nach ihrem Sieg im Rheingauer Bauernkrieg von 1525.

Schaffer möchte die knapp 900 Jahre alte Geschichte des Klosters auf spielerische Art und Weise vermitteln, wie der Playmobil-Liebhaber erklärt. Das passt ins Konzept der ehemaligen Zisterzienserabtei. Seit der Pandemie wolle man neue Formate entwickeln und vermehrt touristische Wege gehen, sagt Projektleiter Jens Foerster. Gerade nach der langen Zeit des Lockdowns mit Homeoffice und Homeschooling solle die Playmobil-Schau vor allem Familien und Kindern Freude bereiten, ergänzt Timo Georgi von der Stiftung Kloster Eberbach.

Ein Stockwerk höher geht es derweil weiter mit dem Feiern: Jetzt sind die Besucher wieder in der Gegenwart angekommen: Events wie das Rheingau-Musik-Festival, Führungen und Hochzeiten prägen den Alltag des ehemaligen Klosters heute. In einem der Schaukästen im Museumsbereich gibt sich ein Playmobil-Paar vor der Kloster-Kulisse das Ja-Wort. Hinter Braut und Bräutigam steht der Pfarrer, links und rechts streuen Kinder Rosenblätter auf den Kieselweg. Die Blumenblätter sind echt, genauso wie der Kies und sämtliche andere Materialien auch.

Teile aus Western, Zoo und Bauernhof

Möglichst naturgetreu arbeiten, das ist dem Playmobil-Künstler wichtig. Und so stehen im Flur des Museums noch etliche Tüten und Kartons, unter anderem mit Quinoa und gepufften Amaranth. Die kleinen Körner füllt der Playmobil-Künstler zum Beispiel in die Futtertröge der Tiere.

Irgendwo in den Untiefen der Kisten liegen auch noch die Teile für die Szenenlandschaft über den Filmdreh von „Der Name der Rose“ mit Sean Connery in der Hauptrolle, der das Kloster weltberühmt machte. Das Setting ist noch im Aufbau.
Und weil es natürlich kein fertiges Playmobil-Set für das Kloster Eberbach gibt, musste Schaffer sich etwa den Glockenturm des Klosters selbst zusammenbasteln – unter anderem aus Elementen des Playmobil-Prinzessinnenschlosses. Im Klostergarten vermischen sich nun Teile aus Western, Zoo und einem Bauenhof.

Letzteres Set war auch für ein weiteres historisches Detail zwingend notwendig, wie Schaffer erzählt: der Eber. Denn der Legende nach hat Bernhard von Clairvaux, der die Zisterzienserabtei im 12. Jahrhundert gründete, einen wilden Eber getroffen. Das Tier ziert bis heute das Wappen des Klosters.