Zu viel Rede über Tempolimit und zu wenig über Glaube: Für Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zeigen die Kirchen zu wenig geistliches Profil. Und deren Verhalten in der Corona-Zeit findet sie auch nicht gut.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat ihre Kritik an den Kirchen bekräftigt. Sie sei aber nicht gegen deren gesellschaftspolitisches Engagement oder ihren Einsatz für den Klimaschutz, sagte die CDU-Politikerin am Samstag beim Evangelischen Kirchentag in Hannover. Aber viele Menschen verließen die Kirchen, weil sie mit ihrer Glaubensbotschaft nicht ankomme. “Der Markenkern ist klasse, den wir als Kirche und als Christentum haben. Es kommt aber anscheinend so nicht mehr an.”
“Die Kirche wird auch wahrgenommen, wozu sie schweigt”, sagte die studierte katholische Theologin. Sie teile das Engagement für die Bewahrung der Schöpfung. Aber die Kirche müsse über das hinausweisen, was etwa Parteien machen. Die Frage sei, wie die Kirche es schaffen könne, eine Relevanz aufzubauen, weil sie anders sei als das Alltägliche. “Sie muss zu Alltäglichem Stellung beziehen, aber sie muss ein Tick mehr sein. Und das Tick-mehr-Sein ist der Glaube.”
Die Politikerin betonte aber, dass sie den Kirchentag nicht kritisiert habe. Kirchen- und Katholikentage seien eine prima Plattform, weil Medien dann über Kirche und Glaubensinhalte berichteten. “Das ist eine Riesenchance.”
“Natürlich müssen sich Christen auch politisch äußern”, führte Klöckner weiter aus. Niemand trete aber in die Kirche ein, weil eine Synode einen Kompromiss über ein Tempolimit gefunden habe. Andererseits erlebe sie ein Schweigen der Kirchen, wenn über den Down-Syndrom-Test als Kassenleistung oder der Umgang mit dem ungeborenen Leben diskutiert werde. Hier wünsche sie sich die Kirche etwas lauter.
Klöckner bekräftigte auch ihre Kritik am Verhalten der Kirchen während der Corona-Pandemie. Im Vergleich zu den staatlichen Schutzmaßnahmen hätten sie “noch eine Schüppe draufgelegt”. So habe ein Vater nicht an der Konfirmation seiner Tochter teilnehmen können, weil er keinen Impfausweis habe vorzeigen können. Dabei sei staatlicherseits dies schon längst nicht mehr gefordert gewesen.
Klöckner hatte in einem Interview zu Ostern die Kirchen aufgefordert, mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod in den Blick zu nehmen und sich nicht wie eine Nichtregierungsorganisation zur Tagespolitik zu äußern. Damit löste sie eine breite Debatte aus. “Ein bisschen Irritation für die eigene Selbstvergewisserung kann auch nicht schaden”, sagte sie dazu in Hannover.