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Kirchenvertreterin: Geflüchteten Jugendlichen besser zuhören

Die Erfahrungen geflüchteter Kinder in Deutschland würden kaum gehört – das müsse sich ändern, sagt die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Hier anzukommen, höre nicht bei der Unterkunft auf.

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, hat Verantwortliche in Politik und Gesellschaft dazu aufgerufen, sich stärker mit den Problemen geflüchteter Jugendlicher zu befassen. “Menschen in Verantwortung müssen das Gespräch mit den betroffenen Jugendlichen suchen, ihnen zuhören”, sagte die EKD-Spitzenvertreterin der Katholischen Nachrichten-Agenur (KNA) am Donnerstag in Berlin. “Und sie müssen sich kritischen Fragen stellen, ohne deren Beantwortung auf die Jugendlichen zu schieben.”

Heinrich reist derzeit im Rahmen einer sogenannten Präses-Tour durch Deutschland und spricht mit geflüchteten Jugendlichen über ihre Erfahrungen. “Ich habe sehr unterschiedliche Gruppen an jungen Menschen erlebt – sie alle haben etwas zu sagen. Sie haben aber nicht das Gefühl, dass ihre Meinungen und Erfahrungen wertgeschätzt werden”, so Heinrich bei einem Stopp in einem Berliner Boxverein, in dem geflüchtete Kinder trainieren. “Viele denken sich: ‘Ich kann ja sowieso keinen Unterschied machen.’ Und das finde ich hochproblematisch, denn junge Menschen können wirklich etwas zu den Debatten beitragen.”

In puncto Integration besteht laut Heinrich noch Handlungsbedarf. In der Fläche gelinge zwar schon viel, “aber wenn ich höre, wie der Alltag von vielen jungen Ukrainern aktuell ist, müssen wir weitermachen”. Einige Jugendliche hätten beispielsweise erzählt, dass sie wegen ihrer Kriegserfahrungen verspottet werden. “Ankommen hört nicht bei einer gefundenen Unterkunft auf.” Zudem sei auch die Hilfe in der Ukraine selbst wichtig. Dort könnten kirchliche Hilfsorganisationen wie die Diakonie Katastrophenhilfe oder Brot für die Welt viel leisten.

Mit Blick auf die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland begrüßt Heinrich, dass zunächst weiter auf Freiwilligkeit gesetzt werden soll. Aber der Plan von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) greife letztlich zu kurz – “er betrachtet nur die militärische Perspektive”, so Heinrich. Ein Einsatz für Frieden und Sicherheit müsse nicht zwangsläufig bei der Bundeswehr sein. “Und er sollte um die Frage nach einem Freiwilligendienst außerhalb der Bundeswehr erweitert werden.”

Nach den Plänen des Verteidigungsministers soll der Wehrdienst zunächst weiter auf Freiwilligkeit beruhen. Demnach soll an alle jungen Männer und Frauen ab dem Jahrgang 2008 ein Fragebogen versandt werden. Männer müssen ihn ausfüllen, für Frauen ist das freiwillig. Dabei soll das Interesse am Dienst in der Bundeswehr abgefragt werden. Geeignete Kandidaten werden dann zur Musterung eingeladen.