Am Anfang war der Geist. Zumindest in der Apostelgeschichte, dem Buch der Bibel, das davon erzählt, wie die erste Jesus-Gemeinde entstand. Sie berichtet, wie der Heilige Geist auf die Menschen herabkam. Als ob Feuer aus dem Himmel flackerte. Jesu Leute, gerade noch eine Schar verzagter Ratloser, wissen plötzlich, was sie zu tun haben. Sie fangen an, von Gott zu erzählen. Was er mit der Welt zu tun hat. Diese Menschen sind mit einem Mal Feuer und Flamme. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes: begeistert.
Oft wird dieses Ereignis als Geburtsstunde der Kirche angesehen. Wenn die Erinnerung daran jetzt wieder zu Pfingsten gepredigt wird, dann mögen manche Wehmut fühlen: Ach, wenn es doch auch bei uns in der Kirche heute wieder so sein könnte – Kraft und Mut! Motivation! Und vor allem: Inspiration und Zuversicht.
Gesucht: Inspiration, Zuversicht und Orientierung
Diese Sehnsucht nach Orientierung ist nur allzu verständlich. Schon seit Langem ist klar, dass die Kirche sich verändern muss. Aber wohin? Mitgliederschwund, Bedeutungsverlust, sinkende Finanzmittel, sexualisierte Gewalt – die Gemeinschaft der Heiligen, so ihre Selbstbezeichnung, kann nicht bleiben, wie sie ist. Aber wie soll die Kirche der Zukunft aussehen? Davon gibt es viele, sehr unterschiedliche Vorstellungen.
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Die Spardiskussion, die jetzt in der Evangelischen Kirche von Westfalen noch einmal in ganz neuer Dringlichkeit aufgekommen ist, dürfte stellvertretend für die Zukunft der gesamten Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer 20 Gliedkirchen sein: Es wird nicht mehr reichen, Ausgaben zu kürzen. Nein. Es ist absehbar, dass gesamte Arbeitsfelder aufgegeben werden müssen, damit andere Aufgaben überhaupt noch sinnvoll erledigt werden können.
Was soll Kirche in Zukunft machen – und was nicht?
Die Kirche muss also entscheiden, was sie in Zukunft noch machen kann – und was nicht. Und die Liste der Aufgaben, die sie bisher beackert, ist lang. Gottesdienst. Kirchenmusik. Kultur. Seelsorge und Beratung. Diakonie. Aus- und Fortbildung, Schulen und Akademien. Der Einsatz für Arme, Benachteiligte, Flüchtlinge. Schutz der vom Klimawandel bedrohten Umwelt. Jugend- und Frauenarbeit. Telefon- und Krankenhausseelsorge. Kitas. Öffentlichkeitsarbeit. Mission und Ökumene. Ganz zu schweigen von Verwaltung, Versicherungen und Rentenkasse sowie dem Unterhalt von Gebäuden. Wo soll man da kürzen? Was soll und kann man davon aufgeben? Da kann einem Angst und Bange werden.
Denn alle diese Aufgaben sind ja gut und wertvoll, richtig und wichtig. Wie soll man sich da auf eine Auswahl verständigen und dafür auch noch Mehrheiten in den Synoden und Kirchenvorständen finden? Ratlosigkeit.
Man kann die Frage auch andersherum stellen. Nicht: Was können wir aufgeben? Sondern: Was müssen wir unbedingt machen? Was ist der Kern der Kirche? Was macht ihr Wesen aus? Was macht Kirche zu Kirche? Auch das ist keine Zauberformel. Aber sie mag helfen bei den Überlegungen zur Kirchenreform.
Was Kirche zur Kirche macht
Was macht Kirche zu Kirche? Auch hier können erst einmal nur Anhaltspunkte gegeben werden. Ganz klar: Nächstenliebe. Wer das nicht sieht, hat Jesu Botschaft nicht verstanden. Aber da gibt es noch einen weiteren Punkt: Gott und das Reden von ihm – auch das darf nicht vergessen werden. Das, was traditionell „Verkündigung“ heißt.
Die Barmer Theologische Erklärung, eine der Bekenntnisschriften in vielen evangelischen Kirchen, drückt das deutlich aus. Aufgabe der Kirche, heißt es da, sei es, „durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten“. Predigt. Sakrament (also Taufe und Abendmahl). Freie Gnade Gottes. Da steckt so viel Inhalt drin, dass man ihn hier auch nicht annähernd ausführen kann. Wichtig aber ist: Die Verkündigung dieser Botschaft gehört zum unaufgebbaren Auftrag der Kirche.
Wie christlicher Glaube heute vermittelt werden kann
Man mag nachfragen, ob diese Inhalte des christlichen Glaubens überhaupt noch vermittelbar sind. Aber es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass und wie so etwas funktionieren kann. Neue, mutige Formen von Verkündigung sind dafür nötig. Kreativ, manchmal um die Ecke gedacht in Formulierungen und Anknüpfungspunkten. Die Verkündigung neu aufstellen, auch durch neue Medien – wenn das nicht gelingt, welche Chance sollte die Kirche als gesellschaftliche Institution dann noch haben? Ethik, Einsatz für Demokratie und Menschenrechte alleine werden da nicht ausreichen.
Wird die Reform der Kirche gelingen? Wissen kann das niemand. Aber handeln, als ob das Gelingen möglich wäre – darin hat sich schon immer das Gottvertrauen und die Zuversicht der Christinnen und Christen gezeigt. Am Anfang der Kirche standen der Geistesblitz, die Inspiration, die Flammen von oben.
Vielleicht ist das der Heilige Geist, um den wir heute wieder bitten sollen.