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Kinder setzen Kampf der Schwarzen in Szene

Es ist ernster Stoff für ein lustiges Kindermusical. Doch der Stralsunder Kantor Michael Blohm ist überzeugt, dass auch solche Ereignisse für Kinder erzählt werden können: der Beginn der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA.

Die Musical-Gruppe Heilgeist mit ihrem Bus, dem Bühnenbild zum Stück „Martin Luther King“
Die Musical-Gruppe Heilgeist mit ihrem Bus, dem Bühnenbild zum Stück „Martin Luther King“Christine Senkbeil

Stralsund. „Schwarze sollen für uns schuften, doch dann sollen sie verduften“, schmettern die Kinder voller Ausdruckskraft. Am Klavier gegenüber dem „Chor der Weißen“ begleitet sie Kantor Michael Blohm mit munterer Mimik. 
Hier im Gemeinderaum von Heilgeist in Stralsund läuft der dritte Probentag zum Musical „Martin Luther King“. 15 Kinder aus den Innenstadt-Kirchengemeinden zwischen 2. und 9. Klasse verbringen damit ihre letzte Ferienwoche, jeden Tag von 9 bis 16 Uhr. Mehr als die Hälfte der eingängigen Songs sollten jetzt sitzen. „Wir machen einen Reaktionstest“, schlägt Michael vor, wie die Kinder ihn nennen. „Ich spiele nur das Vorspiel, und ihr setzt ein.“ 
Und nach kurzem Klavierspiel beginnen die Kinder sicher mit den richtigen Liedtexten. „Das klappt ja schon prima!“, freut sich der Kantor, der mit einer Viertelstelle hier, und sonst als Klavierlehrer der Musikschule arbeitet. Im Nebenraum trocknet die Kulisse: ein riesiges Laken. Gemeinsam mit Albrecht Stegen, der für das Bühnenbild verantwortlich ist, haben die Kinder einen Bus darauf gemalt. 

Die Schwarze, die keinen Platz machte

Der Bus ist nämlich zentraler Ort der Handlung. „Ich spiele einen Türken, der im Bus sitzt und von einem Deutschen hochgescheucht wird“, erzählt Richard. Diese Szene spielt in der heutigen Zeit, erzählen die anderen Kinder. „Das Stück spielt auf zwei zeitlichen Ebenen“, erläutert Blohm. Von Heute aus wird auf die 1950/60er-Jahre in den USA geschaut, als die Schwarzen um ihre Rechte kämpften.
In Montgomery, Alabama, hatte Rosa Parks eine ganze Massenbewegung ausgelöst. Die afroamerikanische Bürgerrechtlerin hatte sich am 1. Dezember 1955 geweigert, im Bus für einen Weißen aufzustehen. „Ich stehe nicht auf, ich bin müde“, hatte sie gesagt. 
Wie jetzt Mara in diesem Musical, die die Rosa spielt. Eine Stelle, an der einige Zeit geprobt wird. Schließlich soll Rosa von einem Polizisten abgeführt werden – wie damals die echte – und es soll überzeugend wirken. „Da muss die Müdigkeit dann in Aufmüpfigkeit umschlagen“, sagt der Kantor: „Diesen Affektwechsel müssen wir auf der Bühne sehen.“ 

Ärger mit der Polizei

Also unterhalten sich die jungen Spieler erst einmal über ihre Erfahrungen mit der Staatsgewalt. „Wurde schon mal jemand von einem Polizisten ermahnt?“, will Michael Blohm wissen. „Ja, mit dem Rad an einer Baustelle“, erzählt ein Kind. „Was für ein Gefühl war das für dich?“ „Ich hatte einen ganz schönen Schreck!“ Und genau den hat sicher Rosa Parks auch gehabt, als sie sich mit Mut der Polizei entgegenstellte. 
„Die Kleinen können sich ja gar nicht mehr vorstellen, dass es noch in den 1960er Jahren so war!“, sagt Blohm. Durch die kurzen, einfachen Szenen dieses Musicals aber wird er für die Kinder nachvollziehbar. Die Lieder und Texte bringen ihnen die Zeit plastisch näher. Und dass heute ähnliche Diskriminierungen passieren – siehe Richard als Türke im Bus.
Im Stück geht es weiter um Martin Luther King, der Pastor in Alabama war, die Bewegung um Rosa unterstützte und zur Frontfigur des Protestes wurde. 
„Martin Luther? Das habe ich schon mal gehört!“, lautet Richards Text, der auf die Namensgleichheit zum Reformator anspielt. Der zwölfjährige Stralsunder mag diese humorvolle Textstelle: „Aber der ist doch schon tot – und als er lebte, gab es doch noch gar keine Busse!“ „Ich glaube, das muss ich irgendwie noch lustiger sagen“, bemerkt Richard selbstkritisch, als das Musical-Ensemble geschlossen am Mittagstisch sitzt. Die Tische hatten die Kinder schnell aus dem Nebenraum geholt und zusammengeschoben. Und nun verzehren alle in der Künstlerpause Senfeier. Besonders der Nachtisch – Eis mit Erdbeersoße – findet reißenden Absatz. Dann geht’s weiter. „Wir müssen noch an die Texte des zweiten Teils“, sagt Blohm. Am Nachmittag sind bereits technische Proben in der Heilgeistkirche angesetzt. „Da kriegen wir dann auch Mikrofone“, erzählen die Kinder begeistert.
Dass die Technik stimmen muss, weiß Blohm aus sechs Jahren Musical-Erfahrung, vom „Verlorenen Sohn“ bis zum „Daniel in der Löwengrube“. Diese Erfahrung kommt ihm nun wieder zugute, denn auch die Aufführung des Stücks ist ein voller Erfolg geworden.