Ein Date im Kino ist ein Klassiker, ein Blind Date eher weniger. Mit einem neuen Dating-Konzept will ein Kino in Berlin dem Swipen auf Tinder und Co. etwas entgegensetzen. Dabei geht es auch um das soziale Miteinander.
Im Saal 1 läuft ein Film, wie jeden Abend im kultigen Neuköllner Programmkino Moviemento. Im Foyer spielt sich derweil etwas – noch – Ungewöhnliches ab: Es wird gematcht – oder altmodisch ausgedrückt: Zweiergruppen gebildet. “Ich sortiere erst einmal klassisch nach Geschlecht und Alter”, erklärt Kinochefin Iris Praefke. “Dann gucke ich nach Gemeinsamkeiten oder Ausschlusskriterien. Ein bisschen ist es auch Glückssache, ob es dann passt.”
Das Konzept ist einfach erklärt: Vor der Vorstellung füllen alle Besucherinnen und Besucher einen Fragebogen aus, geben an, wonach sie suchen, nennen Dinge wie Lieblingsfilm und Lieblingsdrink oder die einzigartige Superkraft, über die sie verfügen. Während des Films wird ausgewertet, und danach gibt es die Möglichkeit, mit potenziell Gleichgesinnten ins Gespräch zu kommen. Bereits zum dritten Mal laden Praefke und ihr Team heute nach der Filmvorstellung zum Blind-Date an der urigen Kino-Bar mit Diskokugel und Schummerlicht.
Etwa die Hälfte der 45 Kinobesucher aus Saal 1 folgt der Einladung. Christina ist gekommen, weil sie die Kino-Date-Karte von Freunden zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. “Ich war erst skeptisch, normalerweise finde ich so arrangierte Sachen komisch”, sagt die 46-jährige Berlinerin. “Die Atmosphäre ist aber wirklich angenehm und ungezwungen.”
“Ich wusste gar nichts von einem Blind Date, aber die Idee finde ich super”, sagt Florian, der sich gerade an der Bar sein bestelltes Lieblingsgetränk abholt. Das geht für alle Date-Willigen heute aufs Haus. “Ich gehe öfter allein ins Kino und habe so die Möglichkeit, mich mit anderen über den Film zu unterhalten”, erklärt der 39-jährige seine spontane Entscheidung, sich auf das Experiment einzulassen. Wie ihm geht es auch Maike und Cäcilia, beide 30 Jahre alt und Single. “Wir wussten nichts von einem Date, aber warum nicht, wir lassen uns drauf ein”, sagen sie: “Vielleicht wird es einfach ein schöner Abend.”
Genau darum geht es eigentlich, erklärt Kino-Chefin Praefke. Ihr Kino soll nicht nur Bühne, sondern auch sozialer Treffpunkt sein. “Die Idee zum Date-Format entstand, nachdem mir sehr viele Menschen gesagt haben, wie schön es wäre, im Kino die Gelegenheit zu haben, mit anderen ins Gespräch zu kommen”, erläutert die 45-jährige Thüringerin und schmunzelt. “Außerdem habe ich viele Freunde und Bekannte, die zunehmend genervt sind von Online-Dating-Formaten. Dann muss man als Kino-Betreiberin nur noch eins und eins zusammenzählen.” Hinzu kommt: Auch sie selbst hat eine Kino-Liebesgeschichte zu erzählen.
Vor 25 Jahren lernte sie ihren Partner Wulf Sörgel bei einem Auslandssemester in New York kennen. Zwei Jahre später jobbten die beiden gemeinsam während ihres Soziologie-Studiums in einem kleinen Berliner Kino mit nur einem Saal. Heute betreiben sie gemeinsam in ihrer Wahlheimat die Kinos Moviemento, Cinema und Toni. “Ich wollte schon immer im Kino arbeiten. Das erste Mal nach einem Job gefragt habe ich mit 16, aber in meiner Heimatstadt Weimar gab es nur zwei Kinos und die Jobs waren damals heiß begehrt”, erinnert sich Praefke. Dass sie dabei bleiben und hier sogar ihre große Liebe finden würde, habe sie aber nicht geahnt.
Dabei sind Kinos eigentlich klassische Dating-Orte, ergänzt ihr Kollege Phil, der seit einem Jahr im Moviemento arbeitet. “Auch ich werde ab und zu angesprochen oder nach meiner Nummer gefragt – aber das macht wohl der Bartender-Glow.”