Der Luxemburger Kardinal Hollerich hat wichtige Kirchenfunktionen in Europa und im Vatikan inne. Zur Europawahl mahnt er neue europäische Ideale an und wirft einen strengen Blick auf die heutige politische Klasse.
Für den Papstberater und Kardinal Jean-Claude Hollerich führt kein Weg zurück in ein christliches Europa. Christen seien heute in Europa mehr und mehr eine Minderheit, sagte der Luxemburger Erzbischof im Interview der Zeitung “La Croix” (Donnerstag) in Rom. Politisch habe dies zu einem Mangel an Ideen geführt.
Vor 80 Jahren war der Aufbau Europas ein ausdrücklich christliches Projekt; insbesondere der französische Außenminister Robert Schuman und der italienische Regierungschef Alcide De Gasperi waren überzeugte Katholiken. Auf die Frage, ob es heute keine Schumans oder Gasperi mehr gebe, sagte Hollerich: “Ehrlich gesagt sehe ich keine.” Politiker heute hätten keine Überzeugungen mehr, so der Jesuit: “Sie lesen die Umfragen und passen ihre Meinung darauf an.” Das sei ein großer Fehler, auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Hollerich: “Der politische Streit ist in den Hintergrund gerückt. Heute haben jene, die uns führen, kein Rückgrat mehr.”
Zugleich betont der Kardinal, der im Kardinalsrat von Papst Franziskus Europa vertritt: “Wenn ich zwischen einem unvollkommenen Europa oder seiner Abwesenheit wählen müsste, würde ich mich immer für die Europäische Union entscheiden.”
Es sei keineswegs so, dass die einzig möglichen europäischen Ideale christliche sind, sagte Hollerich. Es gebe heute Ideale, die von einem großen Teil der Bevölkerung vertreten würden, etwa im Bereich Ökologie. Es sei schlicht eine Notwendigkeit, die Menschheit zu retten.
Das Christentum habe einst Europas Geschichte geprägt. Aber, so der Kardinal, “wenn es diese Kraft nutzt, um zu sagen, dass wir rückwärts gehen müssen, wird das niemanden mehr interessieren”. Das europäische Projekt müsse heute darin bestehen, gemeinsam für Gerechtigkeit, Frieden und ökologische Gerechtigkeit zu sorgen. “Wir müssen diesen Wahnsinn des Klimawandels stoppen, der genauso viele Menschen töten wird wie der Krieg.”