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Kabeleins zeigt “Der Soldat James Ryan” von Steven Spielberg

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

“Der Soldat James Ryan”, Mittwoch, 7. August, 20.15 – 23.50 Uhr, kabeleins (TV-Erstausstrahlung)

Nach der Landung der alliierten Truppen in der Normandie erhalten acht Mann unter Führung von Captain Miller (Tom Hanks) den Befehl, den amerikanischen Soldaten James Ryan (Matt Damon) ausfindig zu machen und unverletzt nach Hause zu bringen, weil dessen Mutter schon drei ihrer vier Söhne im Krieg verloren hat. Diese etwas pathetische Rahmenhandlung treibt den Kriegsfilm von Steven Spielberg voran, der ansonsten aber zusammen mit Kamera und Schnitt bemüht ist, ein gnadenlos realistisches Bild des Kampfgeschehens zu präsentieren.

Die konsequente und erschütternde Rekonstruktion des Krieges als Schreckensbild des kollektiven Todes mag zwar mitunter etwas sehr nach gewollter Brillanz aussehen, doch bleibt “Der Soldat James Ryan” auch mehr als 25 Jahre nach seiner Premiere ein Film von hohem humanitärem Rang. – Ab 16.

Schon als 13-Jährigen hat der Krieg Steven Spielberg beschäftigt, und mit Krieg hatten seitdem – auf oft sehr naive Weise – fast alle seine Filme etwas zu tun, auch wenn es Kriege gegen Haie und Dinosaurier waren. Die Story, der er sich in “Der Soldat James Ryan” annimmt, hat Allegoriecharakter. Die acht Mann, die unter der Führung von Captain Miller nach der Landung der alliierten Truppen in der Normandie einen Sonderbefehl auszuführen haben, sind nicht abgestellt, um gegen den Feind zu kämpfen. Sie sollen einen der ihren in den Wirren der Invasion aufstöbern und unverletzt nach Hause bringen. Eine humane Tat inmitten sich austobender Inhumanität.

Grund des außergewöhnlichen Befehls: Im Oberkommando ist bekannt geworden, dass drei von vier Söhnen einer Farmerswitwe bereits im Kampf gefallen sind; den vierten will man retten. Was menschlich aussieht, wird durch die Perversion des Krieges aber sogleich ins Gegenteil verkehrt: Ist es ein Menschenleben wert, acht andere aufs Spiel zu setzen? Die Story von dem in den Kriegswirren gesuchten Ryan lässt sich für den Zuschauer unschwer auf den Krieg als solchen übertragen. Der Film sucht Antworten, aber im Angesicht des Todes verblasst jede Antwort zum hilflosen Rechtfertigungsversuch.

Noch bevor überhaupt der Name des Gesuchten erwähnt wird, eröffnet Spielberg seinen Film mit einer 20-minütigen Sequenz, die alles in den Schatten stellt, was bisher im amerikanischen Kino versucht worden ist, um Krieg darzustellen. Später, wenn man das Grauen dieser Bilder ein wenig abgeschüttelt hat, drängt sich der Gedanke auf, dass all die technischen Raffinessen früherer Spielberg-Filme nicht umsonst waren: Ohne die dort erworbene Souveränität wäre Spielberg wohl kaum in der Lage gewesen, dieses Inferno auf eine Weise zu inszenieren, die das Publikum mit hineinreißt in eine Dokumentation des Massentodes, der nichts Artifizielles mehr anhaftet, sondern die sich ausnimmt wie ein bisher unentdeckt gebliebenes Stück Film eines Kriegsberichterstatters.

Dass nur die Toten den Krieg ganz erlebt haben, steht damit gleichsam als Präambel über diesem Film und über der Wiederbelebung eines Genres, bevor noch der erste Dialogsatz gefallen ist. Handelt dieser Anfang vom namenlosen Massensterben, so konzentriert sich der Hauptteil auf das Sterben des Einzelnen.

Captain Miller und seine Männer, obwohl gelegentlich von Zweifeln an ihrer Aufgabe heimgesucht, tun ihre Pflicht. Für Heldentaten bleibt kein Platz. Die Stationen ihrer Suche nach dem im Kampfgeschehen verschollenen Private Ryan sind Variationen des Sterbens, von denen keine das Zeug zum heroischen Tod besitzt.

Spielberg spart auch die psychischen Folgen des Kriegs nicht aus, das Aufflammen von Hassgefühlen und die elementare Angst um das eigene Leben. Die Frage nach dem Sinn der Suchaktion und mit ihr die Frage nach dem Sinn des Krieges, zu Beginn noch von Bedeutung, stellt sich immer weniger; sie wird im Widersinn der Ereignisse ad absurdum geführt.

Aber da Spielberg nicht nur einen Film über die Toten, sondern auch einen Film für die Lebenden machen wollte, hat er der Rekonstruktion des Kriegsgeschehens einen Rahmen gegeben, der sich mit Gefühlen und Reaktionen beschäftigt, die nach dem Schreckensbild des kollektiven Todes seltsam deplaziert wirken, obwohl auch sie in der Realität begründet sind.

Schon 1972 hatte Spielberg die Grabstätten der Gefallenen in der Normandie besucht und einen alten Mann beobachtet, der mit seiner ganzen Familie gekommen und vor den endlosen Reihen von Kreuzen und Davidssternen auf die Knie gesunken war. Das Bild ist in seinem Kopf geblieben und wird nun im Film mit dem gealterten Ryan gleichgesetzt.

Wirkt die Szene zu Beginn des Films noch relativ neutral, so erscheint sie in der Wiederaufnahme zum Schluss geradezu pathetisch, sentimental und mit einer die Leinwand füllenden amerikanischen Flagge auch unangebracht patriotisch.

Nachdem er 150 Minuten lang demonstriert hat, dass der moderne Krieg für solchen Gefühle keinen Raum lässt, fällt Spielberg der unpopulären Konsequenz seines Films gleichermaßen in den Rücken und gestattet dem Zuschauer doch noch jenen Augenblick der billigen Rührung, auf den es so lange verzichten musste.