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Jerusalemer Kardinal: Weg zum Frieden in Nahost wird lang

Die katholischen Bischöfe beraten bei ihrer Herbstversammlung über den Nahostkonflikt. Der Jerusalemer Kardinal Pizzaballa sieht derzeit kaum Signale für Frieden. Und ein deutscher Bischof geht Israel scharf an.

Mit dem Jerusalemer Kardinal Pierbattista Pizzaballa erreicht am Mittwoch die Weltpolitik die in Fulda tagende katholische Bischofskonferenz. Der 59-jährige Kirchenführer mit engen Kontakten zu Israelis wie Palästinensern berichtet kenntnisreich, sachlich und ausgewogen über das immer neue Leid und die immer neue Gewalt in Nahost.

“Wir kennen Kriege in der Region. Aber einen solchen bislang noch nicht. So viel Leid und Hass auf allen Seiten hat es hier noch nicht gegeben”, sagt der Kardinal. Und spricht dennoch von der Hoffnung, dass bis Weihnachten die schlimmste, kriegerischste Phase der Konflikte zu Ende sein könnte. “Aber leider sehe ich derzeit noch keine Hinweise auf einen Frieden. Es wird ein sehr langer Weg werden.”

Gerade auch nach der jüngsten Verschärfung des Krieges zwischen Israel und libanesischer Hisbollah. “Die Kosten dieser Kämpfe tragen erneut die Schwächsten der Bevölkerung. Zehntausende müssen fliehen. Auf beiden Seiten, in Nordisrael wie in Südlibanon”, sagt Pizzaballa.

Für wenig realistisch hält es der Kardinal, dass Kirchen oder Papst im Heiligen Land direkt als Vermittler für eine politischen Lösung der erbitterten Konflikte auftreten. Aber Christen und Kirchen sollten versuchen, überhaupt wieder Raum für Gespräche zu ermöglichen. “Derzeit gibt es keinen Dialog, weil auf beiden Seiten der Hass zu groß ist. Ein erster Schritt wäre, jeweils das Leid der anderen Seiten wahrzunehmen.”

Entscheidend sei dabei eine sensible Sprache, sagt der Kardinal. “Eine mit Gewalt, Aggressionen, Hass und Verachtung, Ablehnung und Ausschließung beladene Sprache spielt in diesem Krieg keine Nebenrolle, sondern ist eines der Hauptwerkzeuge in diesem und allzu vielen anderen Kriegen.”

Direkt nach dem Appell des Jerusalemer Kirchenführers sorgt eine Aussage des ebenfalls vor die Presse getretenen Augsburger Bischofs Bertram Meier für Aufsehen. Er leitet in der Bischofskonferenz die Kommission Weltkirche, hält also Kontakt zu Christen weltweit.

Meier erinnert vor dem ersten Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel an die schrecklichen Folgen der Gräueltaten. Er ruft die mehr als 1.200 ermordeten israelischen Zivilisten ins Gedächtnis. Er fordert die Freilassung der verbliebenen Hamas-Geiseln.

Dann aber vergleicht er die israelischen Luftangriffe im Gazastreifen mit terroristischen Anschlägen und nennt sie angesichts Tausender Tote nicht mehr verhältnismäßig. “Es sind Luftanschläge, die aber durchaus auch Anklänge an terroristische Aktionen haben.” Er wolle den von ihm verwendeten Begriff “Luftanschläge” in diesem Sinne in der Schwebe lassen, sagt der Bischof.

Beim Blick auf das Leid der Bevölkerung in den Kriegsregionen sind sich Pizzaballa und die deutschen Bischöfe einig. Es fehlt an Nahrung, Wasser und Medikamenten. Der Paderborner Erzbischof Udo Bentz ruft zu mehr Spenden für Hilfsorganisationen auf. Gleichzeitig müsse Israel mehr Hilfsgüter nach Gaza hineinlassen.

Pizzaballa berichtet, dass die wenigen Hundert in Gaza verbliebenen Christen alle in einem Gemeindezentrum Zuflucht gefunden haben. “Seit dem Kriegsbeginn sind die Schulen geschlossen, wir versuchen, etwas für die Bildung der Kinder zu tun.”

Jetzt, kurz vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers am 7. Oktober, häufen sich die Friedensappelle der Politik. Die katholische Kirche im Heiligen Land wählt einen andere Form des Gedenkens, wie Pizzaballa ankündigte: “Ich rufe alle Christen zum Innehalten auf, zu einem Tag des Fastens und des Gebets.”