Als die Südafrikaner zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Deutsch-Südwestafrika einmarschierten, stießen sie nur auf geringen Widerstand. Die Kolonialtruppen des Kaiserreichs kapitulierten schnell: Sie waren zahlenmäßig unterlegen und fast ohne Nahrung, als sie am 9. Juli 1915 ihre Niederlage einräumten. Auch in der Bevölkerung fanden sie keine Unterstützung. Vor allem seit ihrem blutigen Niederschlagen des Herero-Aufstands einige Jahre zuvor waren sie bei den schwarzen Bewohnern der Kolonie verhasst.
Das Viehzüchtervolk der Herero war durch deutsche Siedler in Bedrängnis geraten, nachdem die Verwaltung 70 Prozent des Landes konfisziert und an die rund 10 000 Kolonisten verteilt hatte. 1897 dezimierte dann noch eine Rinderpest die Herden der Herero. Um nicht zu verhungern, mussten sie noch mehr Land an die Deutschen verkaufen und sich bei ihnen als Farmarbeiter verdingen, aber das zementierte nur ihre Armut. Bald hielten einige hundert deutsche Farmer 40 000 Stück Vieh – so viele wie das gesamte Herero-Volk, das vor der Rinderpest noch sechsmal so viele Tiere besessen hatte.
Von 1904 bis 1908 erhoben sich die Herero. Die Deutschen aber schlugen die Rebellen in der Schlacht am Waterberg, die Herero flohen in die Omaheke-Wüste. Der deutsche Befehlshaber Generalleutnant Lothar von Trotha ließ Wasserstellen besetzen, später gab er den Befehl: „Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr erschossen…
Deutsche besetzen Wasserstellen
Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“ Bald waren etwa 65 000 der schätzungsweise 80 000 Herero tot, erschossen oder verdurstet.
Gegen die etwa 20 000 Nama, die von den Deutschen verächtlich „Hottentotten“ genannt wurden, gingen die Kolonialtruppen ebenfalls rücksichtslos vor. Etwa die Hälfte starben. Historiker sprechen von einem Völkermord.
Deutsch-Südwestafrika war 1884 als erstes Überseegebiet unter deutsche Herrschaft gekommen. Im Jahr zuvor hatte Otto von Bismarck noch gesagt: „Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik.“ Für den Historiker Sebastian Conrad von der Freien Universität Berlin ist das aber kein Widerspruch. „Bismarck wollte auch nach 1884 keine Kolonien“, erklärt er. „Er wollte nur private Handelslizenzen vergeben und indirekt deutschen Einfluss verbreiten. Deshalb nannte er diese Gebiete auch Schutzgebiete.“ Erst nach Bismarcks Rücktritt sei die staatliche Herrschaft in den deutschen Überseeterritorien dichter geworden.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam Deutsch-Südwestafrika unter die Verwaltung der Südafrikanischen Union. 1966 entzogen die Vereinten Nationen Südafrika wegen der Apartheidpolitik das Recht zur Verwaltung. Aber erst 1989 ließ Südafrika freie Wahlen zu, 1990 wurde Namibia unabhängig.
Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. Verlag C.H.Beck, 8,95 Euro.