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Ist das ein Gewinn für die Kirchenmusik?

Nach dem neuen Stellenplan für den Mecklenburgischen Kirchenkreis müssen mehrere Stadt-Kantoren Prozente abgeben, auf dem Land entstehen dafür Teilzeit-Stellen. Nicht alle sind einverstanden.

Warnemünde/Hagenow. Bisher waren sie weiße Flecken in der kirchenmusikalischen Landschaft: die Gemeinden Feldberg, Peckatel-Prillwitz, Mirow und Wesenberg, hauptamtliche Kirchenmusiker gab‘s dort nicht. Jetzt ändert sich das, so schnell wie möglich sollen sie je eine 25-Prozent-Stelle bekommen. Ein Beispiel dafür, was der umstrittene neue Stellenplan im Mecklenburgischen Kirchenkreis bringt.
Ein Gewinn für die Kirchenmusik? „25-Prozent-Stellen zu besetzen, ist leider extrem schwer“, seufzt Landeskirchenmusikdirektor Frank Dittmer. Selbst halbe Stellen seien nicht sehr beliebt. Stefan Reißig, Kirchenmusiker in Hagenow, bestätigt das. „Wer zieht aufs Dorf, wenn er von der Stelle dort nicht leben kann?“, sagt er.  Sowas machten Kollegen nur als Notlösung ­– um wieder zu gehen, sobald sich etwas Besseres biete. Kontinuität sehe anders aus.

Neue Stellen

Gelungener findet Reißig darum andere Schachzüge – etwa, dass in der Südregion Parchim zwei Hundert-Prozentstellen entstehen. „Aber ich finde nicht, dass die Verbesserungen auf dem Land die enormen Kürzungen bei den Stadtstellen rechtfertigen.“ In Wismar fällt durch den Stellenplan von zwei Kirchenmusiker-Stellen eine weg, der Güstrower und der Schweriner Dom gehen auf 75 Prozent zurück, Rostock St. Petri und die Schlosskirche Schwerin haben statt einer halben Kirchenmusiker-Stelle nun gar keine mehr. Und die volle Stelle in Rostock-Warnemünde wird halbiert. „Meine Gemeinde und die Propstei finanzieren vorübergehend die andere Hälfte“, erzählt Kirchenmusiker Sven Werner, der seit 2013 in Warnemünde arbeitet. Eine dauerhafte Lösung fehle aber noch.
Und Werner hat etliche Gruppen unter seinem Taktstock: eine 90-köpfige Kantorei, Kinderchöre, Seniorenchor. Neben Orgelspiel im Gottesdienst organisiert er wöchentliche Konzerte für Einheimische und Urlauber. „Mit einer halben Stelle wäre unmöglich alles zu erhalten.“ Sein Kollege Reißig betont, dass diese Arbeit über Warnemünde hinausstrahle. „Die Verantwortlichen hätten genauer hinsehen müssen, wo viel an Kirchenmusik passiert oder passieren könnte, weil es Bedarf und Möglichkeiten zum Andocken gibt, durch Kitas, Schulen, Familien  – und wo nicht“, findet er.  Immerhin, Werner sieht auch Vorteile im Stellenplan: etwa, dass die Gemeinden im Norden Rostocks provoziert würden, enger zusammen zu arbeiten. „Das geht, die Wege sind kurz.“

Ein Spagat

Landeskirchenmusikdirektor Dittmer schätzt an dem Plan, dass er Kirchenmusiker, Pastoren und Gemeindepädagogen gemeinsam in den Blick nimmt. „Das wird der Tatsache gerecht, dass sie eine Dienstgemeinschaft bilden.“ Für die Viertel- und halben Kantoren-Stellen in den Dörfern sucht er noch nach Lösungen. Vielleicht gelinge es, sie mit 50-Prozent-Stellen in Schulen zu verknüpfen, hofft er.
Reißig und Werner sehen das eher skeptisch. „Wir kennen Kirchenmusiker, die das machen, und es ist ein furchtbarer Spagat.“ Sie hoffen eher langfristig auf einen Bewustseinswandel in den Synoden und Gemeinden: dahin, dass Kirchenmusik in einer säkularisierten Gesellschaft eine zentrale Rolle spiele. Und dass jede Gemeinde auch von der Arbeit der anderen profitiere. „Ich kenne einen Posaunenchor in Paderborn, der keine eigene Jungbläserarbeit macht, weil sowieso immer wieder gut ausgebildete junge Bläser in die Stadt ziehen“, erzählt Werner. Im Gegenzug bezuschusse diese Gemeinde aber die Nachwuchsarbeit eines dörflichen Posaunenchors. „So ein kreatives solidarisches Denken finde ich nachahmungswert.“