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Gehasst, geliebt und kompromisslos: Netanjahu feiert 75. Geburtstag

Am 21. Oktober wird Benjamin Netanjahu 75 Jahre alt. Der Ministerpräsident Israels polarisiert seit Jahren das Land. Nun hält er das Schicksal des Nahen Ostens in den Händen.

Der Ministerpräsident des Staates Israel, Benjamin Netanyahu
Der Ministerpräsident des Staates Israel, Benjamin NetanyahuImago / epd

Er gilt als politischer Hardliner, brillanter Rhetoriker und trittsicher auf internationalem Parkett. 1996 mit 46 Jahren als jüngster Ministerpräsident gewählt, ist Benjamin Netanjahu längst der dienstälteste Regierungschef in der Geschichte Israels. Als bisher einziger Ministerpräsident wurde er im frisch gegründeten Staat geboren. Er ist auch der einzige Ministerpräsident Israels, der trotz Gerichtsverfahren an seinem Amt festhält. Zum 75. Geburtstag steht “Bibi” vor den Scherben der schlimmsten Gewalt gegen sein Land seit Staatsgründung und inmitten eines Mehrfrontenkriegs ohne Aussicht auf ein baldiges Ende.

Benjamin Netanjahu wurde am 21. Oktober 1949 in Tel Aviv geboren. Seine Jugend verbrachte er in den USA, wo sein Vater Benzion nach einer gescheiterten politischen Karriere als Professor für jüdische Geschichte wirkte. Für Benjamin wurden dessen radikale politische Ansichten zum Vorbild: Benzion machte sich als entschiedener Gegner eines linken Zionismus für einen rechtsgerichteten jüdischen Nationalismus stark. Als Anhänger eines Großisraels sprach er den Arabern grundsätzlich die Fähigkeit zum Frieden ab.

Netanjahu in der Eliteeinheit “Sajeret Matkal”

Nichts im Lebenslauf des Sohnes ließ zunächst auf eine politische Karriere schließen. Wie seine Brüder diente Benjamin in der Eliteeinheit “Sajeret Matkal” in der israelischen Armee, die er nach sechs Jahren im Rang eines Hauptmanns verließ. Netanjahu studierte Architektur, Management und Politikwissenschaften an US-amerikanischen Eliteuniversitäten, arbeitete in der Unternehmensberatung und schlug den diplomatischen Weg ein.

1988 betrat er in Israel die politische Bühne, wurde für die konservative Likud-Partei ins Parlament gewählt und stellvertretender Außenminister. Die Friedenspolitik des damaligen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin lehnte er ab. Er stellte sich als Oppositionsführer derart an die Spitze des Kampfes gegen ihn, dass Kritiker ihn wegen Hetze für Rabins Ermordung 1995 mitverantwortlich machten.

Netanjahu wird 2009 erneut Ministerpräsidenten

Mit dem Slogan “Einen sicheren Frieden schaffen” wurde Bibi 1996 Ministerpräsident. Das Thema Sicherheit als allentscheidender Fokus sollte ihm den zweiten Spitznamen, “Mr. Security”, einbringen. Gleichzeitig setzte Netanjahu als Regierungschef gegen die Kritik der politischen Rechten die Gespräche mit den Palästinensern fort. Dies und erste Korruptionsvorwürfe ließen den Likud-Politiker bei erneuten Wahlen 1999 gegen den Kandidaten der Arbeiterpartei, Ehud Barak, den Kürzeren ziehen.

2002 tritt Netanjahu erneut auf die politische Bühne, diesmal als Außenminister, Finanzminister, dann Oppositionsführer. Bis er 2009 erneut das Amt des Ministerpräsidenten innehat, durchlebt das Land die zweite Intifada, den zweiten Libanonkrieg und einen ersten Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen.

Nahostkonflikt: Netanjahu distanziert sich von Zwei-Staaten-Lösung

Trotz einer anderslautenden außenpolitischen Grundsatzrede an der Universität Bar-Ilan im Juni 2009 distanzierte sich Netanjahu schnell und zunehmend stärker von einer Zwei-Staaten-Lösung für den Nahostkonflikt. Auch wurde der Siedlungsbau in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten massiv vorangetrieben. Bei seiner Kampagne zu den Wahlen 2019 erklärte Netanjahu, im Falle eines Wahlsiegs werde er Teile des Westjordanlandes annektieren.

Gedenken an die Hamas-Geiseln in der Nähe vom Kibbuz Reim in Israel
Gedenken an die Hamas-Geiseln in der Nähe vom Kibbuz Reim in IsraelImago / ZUMA Press Wire

Erneute Vorwürfe wegen Korruption, Betrug, Untreue und Bestechlichkeit führten schließlich im Januar 2020 zu einer Anklage in drei Fällen. Gleichzeitig stürzte die Auflösung der Knesset im Dezember 2018 das Land in ein nie dagewesenes Szenario: fünf vorgezogene Neuwahlen binnen drei Jahren, bis die jüngste Wahl am 1. November 2022 die rechteste Regierung in der Geschichte des Landes gebar.

An “König Bibi” scheint auch in Zukunft kein Weg vorbeizuführen

Was folgte, verschärfte die bestehenden Spaltungen im Land. Für rund zehn Monate gingen Hunderttausende auf die Straße, um gegen eine Justizreform zu demonstrieren, die in ihren Augen den Kern der israelischen Demokratie gefährdete. Die politische Instabilität und die Stärkung der Hamas im Gazastreifen durch eine anhaltende Diskreditierung der Palästinensischen Behörde in Ramallah vonseiten der israelischen Regierung sind nach Einschätzung von Beobachtern zwei maßgebliche Faktoren, die das Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 ermöglichten.

Kritiker werfen dem langjährigen Regierungschef seit Jahren vor, das Allgemeinwohl den eigenen politischen Interessen nachzuordnen. In diesem Kontext seien die wiederholten Wahlen, die Justizreform und letztlich auch der Krieg ohne Exit-Strategie zu verstehen. Gelitten hat auch das Image des “Mister Sicherheit”: Keines seiner drei Sicherheitsversprechen – ein Fertigwerden mit Hamas, Hisbollah und Iran – hat Netanjahu in den Augen selbst vieler Anhänger eingehalten.

Bibis Umfragewerte sind unterdessen ein Jahr nach dem Krieg fast wieder bei Vorkriegsniveau. 25 Parlamentssitze statt der gegenwärtig 32, damit aber immer noch stärkste Partei, sagen jüngste Umfragen voraus. An “König Bibi” scheint auch in Zukunft kein Weg vorbeizuführen.