Wettkampf auf außergewöhnlichem Terrain: Erstmals führt eine Giro d’Italia-Etappe durch die Vatikanischen Gärten – vorbei an Brunnen, Kapellen und viel Geschichte. Ein Blick hinter die Mauern des Vatikans.
Zum ersten Mal führt eine Etappe des Giro d’Italia durch den Vatikan. 1974 startete das italienische Radrennen zwar am Vatikan, doch diesmal verläuft es quer durch den Zwergstaat – ein Wunsch des verstorbenen Papstes Franziskus. Die Organisatoren sprechen von einem Höhepunkt, der Sport, Geschichte und Spiritualität vereint.
Die Strecke beginnt zwischen Audienzhalle und Petersdom. Danach erklimmen die Sportler den 75 Meter hohen Vatikanischen Hügel in Serpentinen. Bei ihrem Rundkurs durch die Vatikanischen Gärten passieren sie das Kloster Mater Ecclesiae, in dem Benedikt XVI. (2005-2013) seinen Lebensabend verbrachte, sowie die vatikanischen Museen. Bei ihrer Abfahrt kommen sie auch an Santa Marta vorbei, dem früheren Wohnsitz von Papst Franziskus.
Die vatikanischen Gärten, durch die das Peloton rollt, bedecken rund 20 der insgesamt 44 Hektar großen Vatikanstadt. Hinter dem Petersdom wird deutlich, dass der Vatikan ein Hügel ist – schon beim Bau der konstantinischen Basilika wurden enorme Erd- und Steinmassen abgetragen, sichtbar an der steilen Abbruchkante hinter der Apsis der heutigen Peterskirche.
Auf dem rund 28 Fußballfelder großen Gelände finden sich neben Verwaltungsgebäuden mehrere Kapellen, ein Weg mit Marienfiguren aus aller Welt, ein Bahnhof und ein Hubschrauberlandeplatz. Vatikanangestellte können etwa in der Stefanskirche hinter dem Petersdom heiraten oder im Kaufhaus, das sich im alten Bahnhofsgebäude befindet, einkaufen. Gelegentlich fahren von hier auch noch Züge – meist jedoch nur für Touristen im Rahmen von Spezialtouren der Vatikanischen Museen.
Die Ursprünge der heutigen Gärten reichen bis ins späte 13. Jahrhundert zurück. Damals verlegte der Papst seine Residenz vom Lateran ans Petrusgrab. Nikolaus III. (1277-1280) ließ sie zunächst als eine Art Klostergarten mit Heil- und Nutzpflanzen anlegen. Über die Jahrhunderte wandelte sich das Areal: von einem Ort der Versorgung hin zu einer Bühne päpstlicher Herrschaft. In der Renaissance und im Barock entstanden prächtige Anlagen, Brunnen und Gebäude wie die Casina Pius IV. oder der Turm der Winde, der als Sternwarte diente.
Im 19. Jahrhundert folgte dann eine Umgestaltung nach englischem Landschaftsvorbild. Pius IX. (1846-1878) und Leo XIII. (1878-1903), die sich nach dem Ende des Kirchenstaates als “Gefangene im Vatikan” betrachteten, förderten die Pflege der Gärten besonders intensiv. Leo XIII. gründete zudem einen kleinen Tierpark mit exotischen Tieren, die er aus Afrika geschenkt bekommen hatte. Die neu gewonnene vatikanische Souveränität nach den Lateranverträgen von 1929 manifestierte sich auch in monumentalen Neubauten im Stil der Mussolini-Zeit, die das Gartenbild noch heute prägen.
Auch in der Nachkriegszeit widmeten sich die Päpste immer wieder ihrer Gartenanlage. So ließ beispielsweise Johannes XXIII. (1958-1963) in den 60er Jahren den Johannes-Turm im Westen des Areals restaurieren und bewohnbar machen. In der Folge lebten Kardinäle und auch zeitweise der Papst während Umbauarbeiten des Apostolischen Palasts in dem spektakulären Rundbau. Heute befindet sich dort das Wirtschaftssekretariat des Vatikans. Paul VI. (1963-1978) baute einen Helikopterlandeplatz in den Garten und Benedikt XVI. ließ nach seinem Rücktritt ein ehemaliges Kloster zum Ruhesitz umbauen.
Als Reaktion auf den Klimawandel machte Papst Franziskus (2013-2025) die Gärten nachhaltiger: Alle Brunnen erhielten moderne Wasserrecycling-Systeme, die Beleuchtung wurde auf LED umgestellt. Das Wasser für die rund 100 Brunnen liefert Italien seit über 90 Jahren – geregelt durch die Lateranverträge von 1929, die dem Zwergstaat eine “angemessene Menge von Wasser” aus Italien garantieren.
Für die Pflege ist eigenes Personal zuständig. Eine ihrer kunstvollsten Arbeiten ist vom Petersdom aus sichtbar: Vor dem Governatoratspalast – wo seit März 2025 Raffaella Petrini als erste Frau die Leitung der Vatikanstadt innehat – arrangierten jetzt die Gärtner Blumen in Form des aktuellen Papstwappens.
Die Vatikanischen Gärten sind im Normalfall nicht zu besichtigen. Wer an der Fronleichnamsprozession des deutschen Kollegs am Campo Santo Teutonico im Vatikan teilnimmt, hat jedoch die Möglichkeit, die prachtvollen Anlagen zu erleben. Zudem bieten die Vatikanischen Museen Führungen durch die Gärten an. Interessierte müssen sich im Voraus anmelden; die Plätze sind begrenzt und begehrt. Der Zugang erfolgt in der Regel über das Gelände der Vatikanischen Museen.