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Ich habe da einen Vogel
Von Gerd-Matthias Hoeffchen Manche Kollegen behaupten, ich hätte einen Vogel. Tatsächlich sitze ich oft stundenlang im Gebüsch, Faltsessel unter mir. Fernglas vor mir. Der Grund: Vögel! Die haben es mir angetan. Da gibt es den Dompfaff – herrlich, diese rosenrote Brust. Oder die Mönchsgrasmücke: Eine witzige Kappe trägt die auf dem Kopf; schwarz bei den Männchen, braun die Weibchen. Oder die Heckenbraunelle: Jeder kennt ihren Gesang. Aber kaum einer bekommt das scheue Vögelchen jemals vor die Augen. Es ist nicht alleine der Jagdinstinkt, der mich treibt. Der spielt zwar eine Rolle. Stundenlanges Warten. Und dann endlich: der Stieglitz! Die Goldammer! Ein Buntspecht! Aber so aufregend das ist – die Vogelkunde bietet noch viel, viel mehr. Nämlich Geschichten. Stare bilden Schwärme; bis zu eine Million Vögel fliegen gemeinsam in strenger Ordnung. Unglaublich. Oder die Mauersegler (die Geschichte werden wir hier demnächst noch mal nachliefern). Am meisten aber hat mich der Bartgeier beeindruckt. Der war in Europa quasi ausgerottet. Seit Jahrhunderten fürchteten die Menschen den riesigen Vogel (Spannweite bis fast drei Meter), vergifteten ihn oder schossen ihn ab. Dann erst forschte man nach. Und stellte fest: Der Bartgeier lebt fast ausschließlich von Knochen, die andere Beutegreifer übriglassen. Will heißen: Der Monstervogel ist komplett harmlos für Mensch und Tier. Jetzt hat man ihn in den Alpen wieder angesiedelt. Ich habe neulich einen gesehen. Und beim Blick durchs Fernglas dachte ich mir: Wenn ich demnächst mal wieder über die Macht von Vorurteilen berichten soll – dann werde ich vom Bartgeier erzählen.