Der “Tatort” am Sonntagabend ist eine Institution im deutschen Fernsehen. Für Edin Hasanovic und Melika Foroutan steht am Sonntag die Premiere als Ermittlerteam aus Frankfurt an. Ein ganz besonderes Duo.
Am Sonntag startet der “Tatort” aus Frankfurt am Main mit einem neuen Ermittler-Duo. Dafür haben sich die Macher etwas Besonderes ausgedacht. Die Ermittler rollen alte Cold Cases, also ungelöste Fälle neu auf. Eine weitere Premiere: Zum ersten Mal ermittelt ein migrantisches Duo: Maryam Azadi und Hamza Kulina, gespielt von Edin Hasanovic und Melika Foroutan.
Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichten die beiden, dass ihnen das neue Konzept die Chance gebe, Empathie und Mitgefühl mit den Angehörigen anstelle des Täters in den Mittelpunkt zu rücken. Ein Gespräch darüber, warum Frankfurt eine passende Stadt ist, was es bedeutet, das erste migrantische Ermittlerduo im Tatort zu sein und welche Verbindung der Polizist Hamza zum Anschlag in Hanau hat.
Frage: Frau Foroutan, Herr Hasanovic, Sie kennen sich seit Langem. Wie hat diese Vorgeschichte Ihre Zusammenarbeit am Set geprägt?
Melika Foroutan: Dass wir uns so lange kennen, hatte einen positiven Einfluss, wir mögen uns sehr, und das ist immer eine gute Voraussetzung für eine gemeinsame Arbeit. Wir haben uns das erste Mal vor der Kamera getroffen vor fast 20 Jahren, Edin war zwölf Jahre alt. Wir haben zusammen “Kriminaldauerdienst” gedreht, eine Serie fürs ZDF. Er war Teil des Ensembles und hat uns alle schwer beeindruckt. Ein paar Jahre später standen wir dann für einen weiteren Film zusammen vor der Kamera, und jetzt geht es in Serie mit dem “Tatort”. Ich freue mich unglaublich, dass wir das zusammen machen dürfen.
Edin Hasanovic: Ich habe es noch nie so gehabt, dass ich mit einer Kollegin oder einem Kollegen so viel und intensiv zusammen vor der Kamera bin, gefühlt in jeder Szene. Da habe ich das Gefühl, wir sind wie ein Ehepaar. Für mich ist es wahnsinnig wichtig, dass die Energie zwischen uns beiden hinter der Kamera gut ist. Und da bin ich sehr, sehr glücklich.
Frage: Sie ermitteln in Cold Cases, also ungeklärten Kriminalfällen aus der Vergangenheit. Das ist für den “Tatort” ungewöhnlich. Was hat das für Ihre Arbeit bedeutet?
Melika Foroutan: “Cold Case” ist die Abteilung für alte, nicht abgeschlossene Fälle – nicht abgeschlossen, weil die Ermittlungen an einem bestimmten Punkt nicht mehr weitergehen können aufgrund mangelnder Beweislage. Sobald jedoch durch einen plötzlichen Fund etwas Neues festgestellt wird – bei uns sind das die Tonnen mit den menschlichen Körperteilen – kann der Fall wieder aufgenommen werden. Im “Tatort: Dunkelheit” arbeiten wir mit vielen Rückblenden, die gehen zum Teil zurück in die 70er Jahre. Wir wollten die Menschen, denen so grausame Dinge zugefügt wurden, vorstellen, ihnen ein Gesicht und eine Geschichte geben. Sie stehen bei uns im Mittelpunkt, nicht der Täter. Einen nicht abgeschlossenen Fall erneut anzupacken und zu einem Abschluss zu kommen, ist sehr erfüllend: Die Angehörigen haben zum Teil jahrzehntelang unter der Ungewissheit gelitten, was mit ihren Liebsten geschehen ist. Ihnen endlich diese Fragen beantworten zu können, ist ein emotionaler und berührender Moment. Wir hoffen, dass sich das auch auf die Zuschauer überträgt.
Edin Hasanovic: Mitgefühl, Menschlichkeit – das spielt für uns eine große Rolle, hinter und vor der Kamera.
Frage: Herr Hasanovic, Sie teilen mit Hamza einige Erfahrungen, etwa eine Kindheit im Krieg. Wie nah fühlen Sie sich Ihrer Figur?
Edin Hasanovic: Hamza ist ein anderer Mensch als ich. Der steht nicht so gerne im Mittelpunkt. Der würde ungern jetzt vor Leuten singen und tanzen, macht Dinge eher mit sich aus und hat einen größeren Panzer als ich. Und die Biografie, die Hamza hat, ist nicht nur die Biografie von Edin Hasanovic, sondern das ist die Biografie von Edin und tausenden Kindern aus Bosnien, aus Gaza, aus dem Jemen, aus dem Sudan, aus der Ukraine. Das macht mich stolz, diesen Kindern, die auf brutalste Art und Weise ihre Liebsten verloren haben, so einen großen Raum zu geben.
Frage: Sie sind das erste migrantische “Tatort”-Duo. Ist das nicht viel zu spät? Oder genau der richtige Zeitpunkt?
Melika Foroutan: Es gibt einige Schauspielerinnen und Schauspieler mit Zuwanderungsgeschichte, die ebenfalls im “Tatort” ermitteln oder ermittelt haben, wir sind das erste Duo. Und wenn wir einen Blick in die deutsche Gesellschaft werfen, in die großen und kleinen Städte in diesem Land, gehören Polizistinnen und Polizisten mit Zuwanderungsgeschichte zum Alltag, sie sind deutsche Realität. Und wir stehen als Maryam und Hamza für eine Abbildung davon.
Edin Hasanovic: Mir fällt es schwer zu sagen, wann genau der richtige Zeitpunkt ist. Ich weiß nur: Wir finden es, glaube ich, am wenigsten spannend. Als der Produzent auf mich und auf Melika zugekommen ist und die Idee hatte, dass ich einen Bosnier spiele und Melika eine Iranerin, haben wir beide, glaube ich, sehr reflexartig sofort gesagt: Ja, sehr gerne. Wir haben uns gar nicht die Gedanken gemacht: Wir sind jetzt beide das erste migrantische Duo.
Melika Foroutan: Es gab eine Zeit, in der migrantische Geschichten besonders gefördert wurden. Wir erfahren aktuell, dass das wieder rückläufig wird. Die AfD sitzt mittlerweile im Bundestag, eine Partei, die mit Hass und Hetze auf Ausländer Politik macht und damit leider erfolgreich ist. Es herrscht eine Stimmung, in der man wieder öfter hört: Ist jetzt mal genug, wir haben ausreichend migrantische Geschichten erzählt, jetzt müssen uns mal um unser Publikum rechts von der Mitte kümmern, als wäre das tatsächlich etwas gewesen, was man vernachlässigt hätte. Ich kann dazu nur sagen: Wir sind da, wir sind ein großer Teil dieses Landes, wir haben Geschichten zu erzählen von uns in diesem Land. Und das werden wir auch weiterhin tun, deswegen kommt ein migrantisches “Tatort”-Paar genau zur richtigen Zeit.
Frage: Sie haben Ihre Rollen mit entwickelt. Was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Edin Hasanovic: Mir war der Name wichtig, den durften wir uns selbst aussuchen. Ich glaube, in irgendeinem anderen Leben würde ich gerne Hamza heißen, weil ich das einen sehr schönen Namen finde. Hamza heißt “der Kämpfer” und das war der eine Grund. Der zweite Grund ist, dass ich, vielleicht ist das ein bisschen vermessen, auf diese Art und Weise Hamza Kurtovic, der als eines der neun Opfer vom rassistischen Anschlag von Hanau bundesweit traurige Bekanntheit erlangte, eine kleine Ehre erweisen und ihn künstlerisch am Leben erhalten möchte.
Melika Foroutan: Wir waren von Anfang an dabei, es war eine gemeinsame Entwicklung und alles hat natürlich im Dialog stattgefunden: mit den Autoren, mit Produzentinnen und Produzenten, mit der Regie. Wir haben uns im Vorfeld viel getroffen, viel miteinander gesprochen und durften unsere Ideen und Vorstellungen einbringen. Das ist ein unglaubliches Geschenk, weil man normalerweise Drehbücher bekommt und da ist alles schon fertig. Die Entwicklung war wirklich Teamarbeit, das ist ganz toll.
Edin Hasanovic: Bei einer Rolle, die ich jedoch womöglich über Jahre spiele, ist es umso wertvoller, mitgestalten und aus eigenen Erfahrungen schöpfen zu können. Ich kenne Frauen wie Hamzas Mutter, die vom Krieg traumatisiert sind, deswegen im Dunkeln sitzen und unterstützt werden müssen von ihren Kindern.