Die Debatte über den Umgang Hubert Aiwangers mit einem antisemitischen Flugblatt lenkt den Blick aus Sicht des Holocaust-Überlebenden Ernst Grube auf die Jugend. “Der Fall Aiwanger hat erneut klargemacht: Es gilt heute, die Verbrechen und die Verantwortung der Nazis besonders der Jugend bewusst zu machen”, schreibt der Präsident der Lagergemeinschaft Dachau in der “Jüdischen Allgemeinen” (Donnerstag). “Auf dem Flugblatt kommt eine Verhöhnung aller Schoah-Opfer zum Ausdruck, die schockiert.”
Grube (90) warf dem bayerischen Vize-Ministerpräsidenten eine “Strategie der Vertuschung und Bagatellisierung” vor. Er nehme Aiwanger (Freie Wähler) seine Entschuldigung nicht ab, “auch weil es so lange gedauert hat, bis er die zitierten Sätze überhaupt gesagt hat”. Mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Bayern schreibt Grube, Aiwanger sei nicht mehr glaubwürdig und nach seiner Auffassung für das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten “politisch und moralisch” nicht mehr geeignet.
Grubes Verwandtschaft mütterlicherseits wurde von den Nazis getötet. Er selbst überlebte Theresienstadt. “Auch deshalb berührt mich die entstandene Debatte sehr”, schreibt er.
Ende August hatte die “Süddeutsche Zeitung” berichtet, Aiwanger habe als Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst. Aiwanger bestreitet das; die Verantwortung für das Pamphlet hat sein Bruder Helmut übernommen. Hubert Aiwanger zufolge wurden in seiner Schultasche “ein oder wenige Exemplare” des Blattes gefunden – warum, ist unklar. Später beschuldigten ehemalige Mitschüler Aiwanger, etwa Hitlergrüße gezeigt und Judenwitze gemacht zu haben.
Aiwanger erklärte, er sei niemals ein Judenfeind gewesen. “Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Hitlergruß gezeigt zu haben. Ich habe keine Hitlerreden vor dem Spiegel einstudiert. Weitere Vorwürfe wie menschenfeindliche Witze kann ich aus meiner Erinnerung weder vollständig dementieren noch bestätigen. Sollte dies geschehen sein, so entschuldige ich mich dafür in aller Form.” Zugleich monierte Aiwanger, es gebe eine Kampagne gegen ihn und seine Partei.