Namen stiften Identität. Wer sich mit ihrer Herkunft beschäftigt, erfährt vieles über Kultur, Geschichte und Mentalität der Menschen im Mittelalter.
Kommt der Sommer? Und was wird aus Hitze und Urlaub? Auf diese Fragen kann die Mainzer Germanistin Rita Heuser ganz besondere Antworten geben. Sie sind sicherer als jede Wetterprognose.
Denn Heuser ist eine Expertin für Familiennamen. Mit anderen Wissenschaftlern der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz erforscht sie die 200.000 häufigsten Familiennamen in Deutschland – darunter auch die Namen Sommer, Hitze und Urlaub. Grundlage sind die Telefonbücher aus dem Jahr 2005.
Entstanden sind die heutigen Familiennamen erst um das 13. Jahrhundert; sie erzählen viel über das Mittelalter. Die meisten Namen leiten ihre Herkunft von Berufsbezeichnungen (Schmidt / Müller) oder von Vornamen (Jensen / Friedrichs) her, wie Heuser berichtet. Aber auch Herkunftsbezeichnungen (Westphal / Brüggemann) oder persönliche Eigenschaften (Klein, Groß, Krummbein) gingen in die Namensgebung ein.
Fest steht: Überall in Deutschland gibt es Sommer. Zum gleichlautenden Familiennamen bestehen laut Heuser 19.207 Telefonbucheinträge (das entspricht rund 53.780 Namenträgern), die sich gleichmäßig über die Bundesrepublik verteilen. Zur Erklärung bieten sich mehrere Möglichkeiten: Einerseits kann damit jemand gemeint sein, der im Sommer eine Arbeitsverpflichtung oder eine Zinsabgabe zu leisten hatte. Andererseits kann der Name aber auch auf einen Vorfahren verweisen, der an einer sonnenverwöhnten Sommerseite wohnte.
Weit seltener gibt es Familie Urlaub: Die meisten der rund 700 Namensträger finden sich am Main um Würzburg. Allerdings: Die Träger dieses Namens hatten nicht unbedingt einen Vorfahren, der besonders gerne reiste. Denn die Bedeutung “Ferien” erhielt das Wort “Urlaub” erst in der Neuzeit. Im Mittelalter stand mittelhochdeutsch urloup für “Erlaubnis” – besonders für die “Erlaubnis, zu gehen” sowie das Abschied nehmen. Der erste Träger dieses Namens habe sich, so vermuten die Wissenschaftler, offenbar dadurch ausgezeichnet, dass er einem Ort oder einer Verpflichtung häufiger oder länger fern blieb.
Deutlich positiver wirkt da die Bedeutung des Familiennamens Sonnenschein. Rund 2.480 Namensträger (bei 892 Telefonanschlüssen), vor allem im Westen, können sich mit solch einem freundlichen Namen vorstellen. Vermutlich zeichnete sich die ersten Namensträger durch ein wonniges Gemüt und Herzenswärme aus, so die Namensforscher. In einigen Fällen könne es sich auch um einen Wohnstättennamen handeln für jemanden, der in einem Haus “Zum Sonnenschein” oder an einem gleichnamigen Flurstück wohnte.
Ähnliches gilt auch für den Familiennamen Sonne, für den es bundesweit 187 Einträge im Telefonbuch gibt. Urheber war eine Person mit einem besonders sonnigen Gemüt oder jemand, der an einer sonnigen, dem Süden zugewandten Stelle wohnte.
Wer Hitze heißt, hat mit hohen Temperaturen gar nichts zu tun. Der Familienname geht zurück auf Kurzformen von Rufnamen wie Hildebrand oder Gundhild. Im Germanischen oder Althochdeutschen bedeutete die Silbe “Streit” oder “Kampf”.
Viel Spott müssen an heißen Sommertagen möglicherweise Familien mit dem Namen Warmbier erdulden. Rund 650 Mal ist der Name in Deutschland vertreten (das entspricht 232 Telefonanschlüssen), vor allem in NRW und in Norddeutschland entlang der Elbe. Dabei handelt es sich um eine Berufsbezeichnung für Brauer oder um die Charakterisierung eines Vorfahren, der besonders gern warmes Bier genossen hat. Dabei war Warmbier allerdings keinesfalls einfach abgestandenes, zu lange in der Sonne gebliebenes Bier, sondern ein warmes Getränk aus Bier und Milch, dem Mehl, Zucker und Gewürze zugegeben werden. Dieser Trunk galt früher als äußerst nahrhaft und war ein beliebtes Frühstück sowie Hausmittel gegen Erkältungen.