Putzen, waschen, kochen: Dass Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend den Haushalt übernahmen, galt einer Expertin zufolge als Fortschritt. Sie erklärt auch, was es mit dem Phänomen der “Tradwives” auf sich hat.
Dass Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend in die Rolle der Hausfrau gerieten, galt nach Ansicht der Historikerin Hedwig Richter zunächst als Fortschritt. Die Menschen hätten in einer Demokratie leben wollen, erläuterte Richter im “Süddeutsche Zeitung Magazin”. Dafür seien auch in Familien neue Prinzipien von Gleichheit nötig gewesen.
Das Hausfrauenmodell habe man als passend dafür empfunden, weil Frauen aller Schichten für den Haushalt verantwortlich gewesen seien: “Jetzt putzen nicht mehr nur die Arbeiterinnen selbst, jetzt putzen alle Frauen, sogar die wohlhabende Arztgattin ihren schönen Bungalow”, so Richter. Das habe in einer Zeit, in der es immer weniger Dienstmädchen gegeben habe, für ein “Gefühl von Egalität” gesorgt.
Diese Familienform habe Männern nach dem Krieg Halt gegeben und sie “vorm Ausflippen bewahrt”, erläuterte Richter: “Zu Hause sind sie der Chef, können wieder am Kopfende sitzen und das Tischgebet sprechen.” Richter warf auch einen Blick gen Osten: “Als freie Bürgerin hat sie die Macht zu wählen, welche Produkte sie kauft. Während die arme Sozialistin keine Wahl hat. So wird die Hausfrau in den westlichen Demokratien konkret mit dem Kapitalismus verbunden.”
Richter kritisierte eine Doppelmoral, die sie ab den 1950er Jahren beobachte: “Einerseits wird die Hausfrau als Herz der Gesellschaft idealisiert, der Mutterkult ist enorm zu der Zeit. Andererseits erfährt die Hausfrau oft keine Anerkennung für diese Arbeit. Das ist ja bis heute so.”
Zum Aufkommen von “Tradwives”, die in Sozialen Medien ein romantisiertes Bild von ihrem Leben als Hausfrauen vermitteln, sagte Richter: “Ich denke, das Phänomen der Tradwives wird überbewertet, weil es aufsehenerregend ist. Es gibt keine Statistik, die zeigt, dass Frauen zunehmend Hausfrauen werden wollen.”
Richter warnte davor, dass eine zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft ein Einfallstor für derartige Ideen sein könne. Wenn es in ein paar Jahren viele ökologische Katastrophen gebe, der Wohlstand ins Rutschen komme oder Frieden keinen Bestand habe, könne die Unsicherheit so groß sein, dass sich die Gesellschaft Fortschritte bei der Gleichberechtigung nicht mehr leisten wolle.