Artikel teilen:

Historikerin auf den Spuren der idealen Frau im Mittelalter

Männer, ob Theologen, Philosophen oder Maler, hatten schon im Mittelalter eine sehr klare Vorstellung davon, wie die perfekte Frau zu sein hätte. Und Frauen hatten schon damals ihre Last mit derlei Erwartungen.

 Wie sollte die ideale Frau im Mittelalter aussehen? Blondinen standen im Ranking ganz weit oben, sagt die in London lehrende Historikerin Eleanor Janega. Sie hat gerade ein Buch über mittelalterliche Vorstellungen von Weiblichkeit mit dem Titel “Die ideale Frau” veröffentlicht. “Dunkelhaarige mochten jene Schönheit besitzen, die Schlachten veränderte, Blondinen jedoch waren es, für die Männer in den Krieg zogen.”

Hals, Schultern und Hände mussten auf jeden Fall weiß, gerne glatt oder weich sein. Und was den Busen anging: “Die Männer des Mittelalters waren übereinstimmend der Meinung, dass die vollkommenen Brüste klein und weiß sein mussten.” Taille – gerne schmal. Und der Bauch dann flach? Auf gar keinen Fall. Lieber kugelig.

Männer, die die ideale Schönheit heraufbeschwören wollten, waren der Ansicht, eine Frau müsse, um wahrhaft schön zu sein, nicht nur jung, sondern auch sexuell unerfahren sein. Sie musste mit anderen Worten der mittelalterlichen Konstruktion der Jungfrau entsprechen: schön, freundlich, ruhig, keusch, rein, sanft, bescheiden und demütig.

Eva, Urmutter der Menschheit schlechthin, war die Schönheit, an der sich alle messen lassen mussten, sagt Janega. In der mittelalterlichen Kunst wird sie bevorzugt nackt dargestellt, schließlich waren die ersten beiden Menschen im Paradies vor dem Sündenfall unbekleidet.

Die einzige Frau, der es gelang, dem Fluch von Evas Sünde zu entkommen, war Maria, die Mutter Jesu: weiß, blond, von ikonischer Schönheit – und gemäß der Überlieferung Jungfrau. Das Schönheitsideal wurde durch die Jahrhunderte immer gleich überliefert, sagt Janega. Ob tatsächlich alle Menschen durchgehend auf kleinbrüstige Frauen mit großen Oberschenkeln und Kugelbäuchen standen, steht auf einem anderen Blatt.

Die mittelalterliche Frau achtete auf Sauberkeit – entgegen dem weit verbreiteten Vorurteil, dass die Menschen im Mittelalter vor Schmutz starrten. Damals gab es schon Seife und die wurde gerne zuhause hergestellt. Übrigens auch Gesichtswasser: Hildegard von Bingen hielt dafür ein eigenes Rezept auf Basis von Gerstenwasser bereit. Es sollte besonders bei rauer, schuppiger Haut helfen.

Dabei wandelten Frauen laut Janega auf einem schmalen Grat. Sie sollten schön sein, aber gleichzeitig absolut nichts tun, um ihre Schönheit zu betonen. Dennoch: Trotz aller Warnungen sind zahlreiche Anleitungen zu Make-up und für das Färben der Haare erhalten geblieben.

Die Historikerin erklärt, dass der ganz große moralische Shitstorm aber der Enthaarung vorbehalten blieb – und zwar besonders den gezupften Augenbrauen und der klaren breiten Stirnpartie. Auch da bestand eine Spannung: Der Klerus warnte vor dem Epilieren, die Mediziner überlegten, ob behaarte Frauen womöglich ungesund seien.

Es gab Rezepte für Enthaarungsmittel mit Ätzkalk, die man jedoch nicht zu lange im Gesicht aufgetragen lassen sollte. Kam es dann zu Verbrennungen, half Rosen- oder Veilchenöl. Der Spruch: Wer schön sein will, muss leiden ist hier durchaus wörtlich zu verstehen.

Im Gegensatz zum Schönheitsideal änderte sich die Mode im Mittelalter, doch etwas blieb gleich, meint die Autorin. “Frauen bevozugten durchgehend Kleidung, die den idealen birnenförmigen Körper betonte.” Was sich übrigens auch nicht veränderte: Männer regten sich auf, weil Frauen sich für Mode interessierten.

Wohlhabende Frauen sahen sich mit einem ganz eigenen Dilemma konfrontiert. Sie mussten mit ihrer Kleidung zeigen, welchem Teil der Gesellschaft sie gehörten, gleichzeitig aber aufpassen, dass sie zu modisch gekleidet nicht ihr Seelenheil gefährdeten. Extreme Fälle, also besonders reiche Frauen, lösten diesen Widerspruch auf, indem sie unter ihrer feinen Kleidung grobe, juckende Hemden trugen. “So kamen sie den gesellschaftlichen Erwartungen entgegen und bestraften sich gleichzeitig dafür.”

Und was lernt man daraus? Die Frauen im Mittelalter hatten es nicht leichter als ihre modernen Geschlechtsgenossinen. Sie mussten damals genau so den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen wie die Frauen heute. Nur der Druck mit der ewigen Verdammnis ist verschwunden.