Finanzen, Missbrauch, Moral: Der neue Papst kann nur mit Transparenz Vertrauen zurückgewinnen, sagt Historiker Hubert Wolf. Er erklärt, welches Großprojekt noch auf das neue Kirchenoberhaupt zukommt.
Der neue Papst muss primär dafür sorgen, dass der Vatikan nicht bankrott geht. Das sagt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Den Kardinälen sei durchaus bewusst, dass Franziskus Nachfolger die Finanzkrise des Vatikans in den Griff bekommen müsse, sagte er am Dienstag der “Neuen Züricher Zeitung”. Deshalb sei ein Kurienkenner mit Verwaltungserfahrung gesucht.
Wolfs Auffassung nach braucht es heute “mehr denn je” einen Papst als “Anker in einer Welt, die auseinanderfällt”. Der Papst habe zwar keine Divisionen, aber eine ungeheure moralische Autorität. Letztere könne er aber nur in die Waagschale werfen, wenn er und die katholische Kirche ihre Glaubwürdigkeit wieder gewönnen, die durch den Missbrauch verloren gegangen sei.
Wolf erklärte, dazu müsse der neue Papst als ersten Schritt alle Akten seiner letzten fünf Vorgänger zu diesem Thema in den vatikanischen Archiven freigeben. Denn: “Wer Glauben verkündet, braucht Glaubwürdigkeit. Und der oberste Garant des Glaubens, der oberste Zeuge des Glaubens ist der Papst. Und wenn der nicht glaubwürdig ist, dann glaubt ihm niemand.”
Der Kirchenhistoriker rechnet bis Freitagabend mit einem neuen Papst. Der müsse eine “Einheit in versöhnter Verschiedenheit” ermöglichen. Konkret würde das laut Wolf bedeuten: “Dann hätte man zum Beispiel in der Schweiz verheiratete Priester und geweihte Frauen als Diakone. Und in bestimmten patriarchalisch geprägten Kulturen Afrikas oder Asiens noch nicht. Und trotzdem wäre die Kirche als Ganzes durch den Glauben an die Auferstehung Jesu Christi verbunden.”
Wolf kritisierte, Papst Franziskus sei kein wirklicher Reformer gewesen, denn er habe keine Macht delegiert und keine Macht abgegeben. Zwar habe er Themen auf den Tisch gebracht, aber letztlich habe er sich geweigert, die nötigen Konsequenzen zu ziehen: “In der Amazonas-Synode haben die Bischöfe mit einer Vierfünftelmehrheit für die Zulassung verheirateter Priester gestimmt. Franziskus hat das einfach ignoriert. Das kann er natürlich tun. Mit Reform hat das allerdings nichts zu tun.”