„History“. Es war nur ein Wort, das Hillary Clinton in alle Welt twitterte, nachdem ihre Nominierung als Präsidentschaftskandidatin für die US-Wahlen im November feststand. Nur ein Wort: „Geschichte“. 100 Jahre, nachdem in den USA das Frauenwahlrecht eingeführt wurde und 227 Jahre nach den ersten US-Präsidentschaftswahlen, schickt erstmals eine der beiden großen Parteien eine Frau in das Rennen um das höchste Staatsamt der USA.
Ihr Kontrahent? Donald Trump, ein exzentrischer Multimillionär. Einer, der mit Privatflugzeugen, Wolkenkratzern und blondierten Models protzt. Einer, der noch einmal das ewig gleiche Männermachttheater auf den Bühnen der Welt aufführen will. Einer, der für ein Männerbild steht, dessen Zeit längst abgelaufen ist. Denn Trump verkörpert eine traditionelle Männlichkeit, die Frauen und Männern schweren Schaden zugefügt hat. Er ist ein „yesterday man“ – ein Mann von gestern.
Demokratin gegen Republikaner. Nüchternheit gegen Wichtigtuerei. Und eben: Frau gegen Mann. Gewinnt Hillary Clinton, dann ist zum ersten Mal, seit die Erde sich dreht, der wohl mächtigste Mensch der Welt eine Frau.
Manche mögen sagen: Na und? Ist doch das Normalste der Welt. Ist es aber nicht. Was wir hierzulande erleben, sind die Ausnahmen: eine Frau als Bundeskanzlerin. Eine Frau als Präses in der westfälischen Kirche. „Normal“ ist nach wie vor, dass sich in den Führungspositionen in Politik und Kirche, Wirtschaft und Medien die Männer die Klinke in die Hand geben. „Normal“ ist nach wie vor, dass Frauen schlechter bezahlt werden, weniger Aufstiegsmöglichkeiten haben, das Kinderbekommen mit dem Karriereknick bezahlen.
Deshalb ist es gut, wenn Frauen Führungspositionen übernehmen. Auch Hillary Clinton wird Fehler machen und das Regieren nicht neu erfinden. Aber sie wird zeigen, dass es keinen Job gibt, den nicht auch eine Frau gut machen kann. Und es ist gut, wenn Männer Machtpositionen räumen. Nicht zuletzt für uns Männer. An anderen Orten sind Kompetenzen und Fähigkeiten von Männern nicht weniger gefragt und gebraucht. Fürs Erste braucht es deshalb vielleicht weniger Männer im Weißen Haus und in den Führungsetagen, stattdessen auf Spielplätzen, in Bildungseinrichtungen und auf Elternabenden. Es braucht Männer, die mit Herz und Verstand Kinder erziehen, für die Misserfolge keine Weltuntergänge sind und die ihre Ziele nicht mit dem Ellenbogen und in Seilschaften verfolgen, sondern mit Charme und Humor. Männer, für die auch der Wickeltisch und die Kinderarztpraxis keine fremde Welt darstellen. Denn auch da geht es um die Zukunft eines Landes.
Die Ahnengalerie der US-Präsidenten zeigt 44 Personen. Allesamt Männer. Das Jahr 2016 hat am 8. November eine epochale Chance: wenn US-Präsident Nummer 45 eine Frau wird.
Her story.
• Martin Treichel ist Landesmännerpfarrer der Evangelischen Kirche von Westfalen.