Flensburg. Die Kirche über Whatsapp anschreiben, wenn es um die Taufe für das eigene Kind geht? Das passiere inzwischen vergleichsweise häufig, sagt Birgit Lunde. Seit etwa einem Jahr antwortet die Pastorin im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg auf solche Anfragen per Chat – gemeinsam mit einem kleinen Team.
„Ich brauche einen Patenschein, wo bekomme ich den her?“ „Zu welcher Kirchengemeinde gehöre ich?“ „Das sind Fragen, die häufig kommen und die wir meist schnell beantworten können“, schildert Lunde, die gerade ihren neuen Arbeitsplatz als Leiterin der Diakonie des Kirchenkreises in Flensburg bezogen hat. Doch es gebe auch dramatische Fälle, bei denen es um existenzielle Nöte gehe, so die Theologin. Und darum, in der Folge eine kirchliche Begleitung zu ermöglichen.
So funktioniert der Kanal
Oft nutzen die Menschen den Whatsapp-Kanal über www.kirche-schleswig-flensburg.de. Dort gibt es gleich auf der Startseite einen Whatsapp-Button. Wer ihn anklickt, hat drei Möglichkeiten, um zum Chat zu kommen: Man kann die Windows-App von Whatsapp laden, mit seinem Handy einen QR-Code scannen oder die angegebene Telefonnummer 04621/963 00 in die Kontaktliste des Smartphones eingeben und Whatsapp starten.
„Ich erinnere mich an eine Mutter, die sich an uns wandte: Ihr kleiner Sohn fragte sie immerzu nach der verstorbenen Oma“, schildert Pastorin Lunde. Die Frau habe irgendwann nicht mehr gewusst, wie sie reagieren konnte – und wandte sich an die Kirche. „Ich habe ihr geraten, damit offen umzugehen und zu sagen, sie wisse es selbst nicht genau; sie könnten gemeinsam das Grabmal besuchen oder sich ein Bilderbuch zum Thema Tod anzusehen.“
Solche Hilferufe, speziell an die Kirche gerichtet, hat auch Anja Ahrens schon erhalten und darauf geantwortet. Die Öffentlichkeitsreferentin des Kirchenkreises Schleswig-Flensburg engagiert sich intensiv rund um das Whatsapp-Projekt. Aus den ersten kurzen Sätzen ergäben sich oft persönliche Gespräche, schildert sie: Teils würden die Menschen dann an die zuständigen Gemeindepastoren weitervermittelt. „Gerade letzte Woche wünschte sich jemand sehr kurzfristig und auf einfachem Weg eine kirchliche Trauung – in einem Hospiz. Da war klar, dass sich am Sonntagabend die Pastorin zurückmeldete und diesen Wunsch ermöglichte.“
Anfragen werden aufgeteilt
Neun Mitarbeitende der Kirche zwischen der dänischen Grenze und der Schlei zählen zum Team, teilen die Anfragen unter sich auf. Die Helfer stammen aus den verschiedensten Arbeitsbereichen – etwa der Seelsorge, dem Kitawesen und der Verwaltung. Das mache einen Teil des Konzepts aus, so Ahrens. „Gemeinsam haben wir sehr viel Wissen und können viele Anfragen schnell und gut beantworten. Und wir arbeiten hierarchielos zusammen.“
Ziel sei es stets, niederschwellig, zügig und unkompliziert zu kommunizieren. Manche Menschen schickten erst einmal nur ein „Hallo“ und warteten ab, was passiert. „Unser Erfolg beruht darauf, dass wir uns als Kirche auf die Kommunikationsmittel der Menschen einstellen und nicht die auf unsere“, erläutert Lunde. „Deshalb haben wir uns für dieses System entschieden, das Whatsapp nutzt. Es ist schnell, und das ist sinnvoll, weil die Menschen schnelle Antworten erwarten.“
Mitten in der Nacht
Und das nahezu jederzeit. Häufig kommen die Anfragen außerhalb der Geschäftszeiten, wenn die Kirchenbüros geschlossen sind, so Ahrens. Tagsüber werde meist innerhalb einer Stunde geantwortet. „Auffällig ist, dass viele Menschen mit großem Kummer vor allem nachts schreiben, wenn sie wach liegen.“ Wenn eine solche Seelsorge-Anfrage nachts um vier komme, könne es mit einer Antwort schon einmal bis morgens um acht oder neun Uhr dauern. Am Wochenende wird der Kanal zwei Mal täglich geprüft. Allgemein gilt: „Es gibt keinen Tag ohne Anfragen.“
Das Projekt wurde unter anderem durch die Verteilung von Gummi-Enten mit einem QR-Code bekannt: Scannt man ihn mit dem Handy, verbindet sich das Gerät per Klick mit dem Chatprogramm. Das Projekt ist auf zwei Jahre befristet: „Wir hoffen, dass es auch danach weitergeht, weil wir uns hier gern engagieren und es für erfolgreich halten. Aber letztlich entscheidet darüber der Kirchenkreisrat“, so Lunde. Beim aktuellen Pensum lasse sich das Angebot vom Team gut bewältigen; sollte sich die Zahl der Anfragen verzehnfachen, „müsste der Kirchenkreis über zusätzliche Ressourcen nachdenken“.
Dann könnte es auch in Zukunft sein, dass die Kirche ganz im Norden der Republik Anfragen aus Süddeutschland erhält. Ein Mann, der dort lebt, schrieb kürzlich, er würde sich nicht trauen, sich direkt am Telefon zu melden. Sein Anliegen: Er sei 42 Jahre alt und noch nie in einer Kirche gewesen, würde das aber gern, weil er sich dadurch Inspiration erhoffe. Ob man im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg einfach so in die Kirche kommen dürfe? Selbstverständlich, so Ahrens: „Das zeigt mir, dass wir über diesen Kanal auch Menschen erreichen, die sonst nichts mit Kirche zu tun haben. Deshalb hat mich diese Anfrage besonders erfreut.“