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Hauptgewinn!

Über den Predigttext zum 5. Sonntag nach Trinitatis: Lukas 15,1-11

Predigttext
(…) 2 Und Jesus sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. 3 Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. 4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! 5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen. 6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. (…) 8 Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. (…) Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. 11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Ich gebe es zu: Ich spiele Lotto. Nur drei Reihen, und nur an den Samstagen. Wenn der Alltag grau und mühsam ist, dann weiß ich: Schon am Samstag könnte ich den Hauptgewinn ziehen! Und wenn ihr mich dann am Sonntag auf dem Handy nicht erreicht, bin ich schon fort: Nach Afrika – oder einfach nur an die Nordsee. Ein neues Sofa kaufe ich mir, und ein schickes Elektroauto – Geld spielt dann ja keine Rolle mehr. Und arbeiten tue ich nur noch, was mir Spaß macht. Oder gar nicht mehr – denn dann werde ich frei sein, ganz und gar frei…

Der Predigttext erzählt von so einem unerwarteten Hauptgewinn: Da packte der Fischer Simon, später Petrus genannt, sein nur halb gereinigtes Netz wieder ins Boot und ruderte zum Fischen raus. Am Vormittag! Wo doch jeder wusste, dass sich die Fische im See Genezareth tagsüber in den dunklen Tiefen des Sees verstecken.

Und dann zog es das Netz plötzlich nach unten. Ein riesiger Berg von silberglänzenden Fischen – ein Hauptgewinn! Was für Möglichkeiten lagen da vor dem jungen Simon: ein größeres Boot, ein eigenes Unternehmen! Die Zeiten, in denen er nach vergeblich durchgearbeiteter Nacht noch selber die Netze säubern musste, waren endgültig vorbei!

Das wäre doch ein schönes Ende für die Geschichte gewesen. Aber so war das Ende eben nicht! So war es nicht…

In dem Moment, in dem alle Träume des Fischers Simon in Erfüllung gingen, da ließ er den ganzen Berg Fische liegen – und ging zu Jesus von Nazareth hin­über. Ein kurzes Aufbäumen noch, ein Niederknien und die Bitte, ihn, den sündigen Menschen, doch in seinem gewohnten Alltag zu lassen – aber dann gab es nur noch einen Weg für ihn: Den Weg an Jesu Seite.

Warum ließ er seinen Hauptgewinn liegen? Es muss etwas gewesen sein, was er vorher gehört hatte, an dem grauen Morgen dicht bei Jesus, der von seinem Boot aus für die Menge am Ufer predigte. Etwas, das gerade in diesem Moment zu leuchten begann. So sehr, dass alles andere an Bedeutung verlor.

In der Geschichte erfahren wir nicht, worüber Jesus im Boot gepredigt hat. Aber ganz zu Beginn seines Wirkens sagt er: (Lukas 4, 18): „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil der mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.“

Für mich steht dieser Satz wie eine Überschrift über Jesu Wirken: Jesus, von Gott gesandt, verkündete eine neue Zeit, ein Gnadenjahr Gottes – bestimmt auch an jenem grauen Morgen, mit Simon draußen auf dem Wasser. Seine Worte sprengen den ärmlichen Alltag des jungen Fischers auf. Sie befreien ihn aus seinem Versagen nach einer Nacht ohne Fang und öffnen ihm die Augen für Gottes Gnade. Und als er dann vor dem Ziel seiner irdischen Träume steht, da sprengen Jesu Worte auch diese auf und entlassen ihn in eine neue, leuchtende Freiheit – kein Wunder, dass er mit Jesus geht! Und kein Wunder, dass diese Geschichte auch heute, 2000 Jahre später, noch erzählt wird. Dass sie mich erreicht mitten in meinem grauen Alltag – und zu leuchten beginnt.

Ich gebe es zu – ich spiele Lotto. Und wenn ihr mich am Sonntag nicht auf dem Handy erreicht, dann geht ruhig in meine Wohnung – auf der Kommode liegt der Lottozettel mit dem Hauptgewinn: Nehmt ihn und macht etwas Gutes damit! Ich aber bin dann mit Jesus gegangen. In den Gottesdienst, und später noch zum Kirchkaffee mit den anderen. Und am Montag, nach einem Frühstück auf meinem alten Sofa, an Jesu Seite zurück in meinen Alltag – er bringt ihn zum Leuchten. Im Gnadenjahr des Herrn gibt es eine Menge für mich zu tun. Mit mir sind viele Christinnen und Christen unterwegs, da können wir schon etwas erreichen. Frei sind wir, ganz und gar frei – und das Wunder wartet überall!