Artikel teilen

Guter Ansatz

Die neue Tchibo-Geschäftsidee könnte Vorbild sein für unser gesamtes Konsumverhalten, meint Dietrich Weinbrenner, Fachmann für nachhaltige Textilien

Ein guter Ansatz sei die Idee, Kleidung zu verleihen, statt sie zu verkaufen, findet Dietrich Weinbrenner (Foto). Seit April vergangenen Jahres ist der Pfarrer als Beauftragter für nachhaltige Textilien bei der Vereinten Evangelischen Mission (VEM, Wuppertal) tätig. Über das neue Geschäftsmodell von Tchibo hat Annemarie Heibrock mit ihm gesprochen.

Kleidung leihen statt kaufen – was halten Sie davon?
Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit – und die wollen wir ja fördern – ist das auf jeden Fall ein guter Ansatz. Nicht nur im Blick auf Kinderkleidung. Ich kann mir vorstellen, dass das auch ein Super-Modell wäre für unser gesamtes Konsumverhalten. Es geht schließlich darum, jeden Gegenstand, der einmal produziert wurde und dabei Ressourcen verschlungen hat, so lange wie möglich zu nutzen.

Reinigen der Kleidung, Verpacken, Versenden – all das ist auch nicht ohne Umweltbelastung zu haben…
Das stimmt. Aber das spricht nicht gegen den Verleih, denn es ist sicher vergleichsweise ressourcenschonender, Kleidung hin- und herzuschicken anstatt sie immer neu zu produzieren. Außerdem kann man ja für eine plastikfreie Verpackung sorgen.

Rechnen Sie damit, dass Tchibo die Idee des Kleider-Verleihens aus der Nische herausholt und für ein breiteres Publikum attraktiv macht?
Ich denke schon. Jedenfalls bin ich sehr gespannt, was sich in den nächsten Monaten in dieser Hinsicht tut.
 
Andererseits: Bei einer großen Textilkette namens Primark, die in Deutschland seit einigen Jahren den Markt erobert, gibt es manche Kleidungsstücke so preiswert zu kaufen, dass das Leihen deutlich teurer käme…
Das ist leider so. Der Markt der schnellen Mode, englisch auch „fast fashion“ genannt, wächst. Das ist eine furchtbare Entwicklung. Kleidung ist zu einem Wegwerfartikel geworden. Darum ist es wichtig, dass eine Kette wie Primark, die Mitglied ist im Bündnis für nachhaltige Textilien, Ziele in Richtung einer größeren Nachhaltigkeit nicht nur formuliert, sondern auch überprüfbar macht.

Auf der anderen Seite müssen aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher umdenken, oder?
Auf jeden Fall. Da haben wir dicke Bretter zu bohren. Denn Bewusstseinsänderungen vollziehen sich nur sehr langsam. Deshalb müssen wir immer wieder daran erinnern, dass die natürlichen Ressourcen begrenzt sind und dass wir schonend mit ihnen umgehen müssen – zu unserem eigenen Wohl und dem unserer Kinder. Auch die Politik muss in die Pflicht genommen werden.

Können auch Kirchengemeinden einen Beitrag leisten?
Selbstverständlich. Es gibt Gemeinden, die nicht nur informieren und aufklären, sondern auch solche, die regelmäßig Flohmärkte oder Tauschbörsen für gebrauchte Kleidung veranstalten. Auch Initiativen wie Repair-Cafés, in denen Ehrenamtliche elektrische Geräte reparieren, sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Chancen gibt es also genug. Sie müssen nur ergriffen werden.