Normalität nicht in die Außenseiterrolle drängen – das mahnt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther an. Alle sollten das Gefühl haben, ihren Teil zur Gesellschaft beizutragen.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wünscht sich mehr Gespräche, um ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern. Man müsse wieder lernen, dass unterschiedliche Blickwinkel und unterschiedlich zusammengesetzte Gruppen nicht nur stromlinienförmig unterwegs seien, sagte der Katholik am Donnerstagabend in der Schleswig-Holsteinischen Landesvertretung in Berlin. “Wir müssen andere Meinungen auch wieder zulassen und den Diskurs auch wieder leben.”
Persönlich sei Günther, der Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken ist, stolz darauf, “in einem Land zu leben, das dem Begriff Vielfalt immer noch eine sehr positive Bedeutung zumisst”. Allerdings sollte dabei die Normalität nicht in eine Außenseiterrolle gedrängt werden. “Es bringt Menschen auf die Palme, wenn man sich dafür rechtfertigen muss, dass man keinen Migrationshintergrund und keine Behinderung hat”, sagte Günther. “Ich glaube, dass wir wieder da hinkommen müssen, dass alle das Gefühl haben, ihren Teil zur Gesellschaft beizutragen.”
Die Bischöfin im Sprengel Schleswig und Holstein der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Nora Steen, sprach sich dafür aus, dass die Politik und die Zivilgesellschaft Orte schaffen müssten, an denen man “wirklich konträre Meinungen” austauschen könne. “Es ist wesentlich, dass wir uns einander viel mehr unsere Geschichten erzählen”, sagte Steen. “Dass wir etwas über unsere Hintergründe lernen und den Lebenskontext von Menschen erfahren, mit denen wir nichts zu tun hatten.”
Der Kieler Philosoph Ralf Konersmann sprach von Außenseitern als “Kind der Moderne”. Die moderne Gesellschaft mache Schluss mit der Vorstellung, man dürfe einfach nur sein, was man ist. Doch das “Wir” einer Gesellschaft gewinne seine Identität ganz wesentlich aus der Abwehr derer, die nicht dazugehörten.