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Gottesdienste mit Gefangenen: Keine Frage der Schuld

Reformationsgottesdienst im Gefängnis. Seit zwölf Jahren besucht die Kieler Friedensgemeinde die Insassen der Justizvollzugsanstalt Kiel. Am 2. November ist es wieder so weit.

Den Reformationstag feiert die Kieler Friedensgemeinde im Gefängnis
Den Reformationstag feiert die Kieler Friedensgemeinde im Gefängnisepd-bild/Timm Schaumberger

Dicke Türen, Sicherheitsschleusen, Taschen und Jacken müssen draußen bleiben. „Es ist schon immer ein Eintauchen in eine andere Welt“, sagt Horst Uwe Kraupner. Doch zwei Mal im Jahr tauscht der Gemeindepastor der Kieler Friedensgemeinde seine Vicelinkirche gegen den Mehrzweckraum in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Kiel. Dann feiern er und der Gefängnisseelsorger Michael Carstens zusammen mit einem Teil der Friedensgemeinde und Gefängnisinsassen Gottesdienst. Am 2. November ist es wieder so weit. Reformationsgottesdienst.

Eine Begegnung zwischen Menschen dies- und jenseits der Gefängnismauern. „Es ist eine Begegnung auf Augenhöhe“, sagt Kraupner. „Auch wir hier draußen sind nicht nur gut, und auch die Menschen drinnen im Gefängnis haben Gutes in ihrem Leben getan.“ An diesem Punkt wird dann auch der lutherische Gedanke vom Menschen, der gleichzeitig gut, aber auch schlecht ist, wieder präsent. Schuld und Vergeben. Der Mensch gleichzeitig Sünder und Gerechter, wie Martin Luther sagte. Im Gefängnis liegt das nah beieinander.

Schuldfrage ist nicht ausschlaggebend

Und so verschieden, wie Menschen nun mal sind, so unterschiedlich wird auch im Gefängnis mit dem Thema Schuld umgegangen. Da seien die einen, so Kraupner, die sagen, ja, ich habe Mist gebaut. Andere wiederum fühlten sich zu Unrecht in etwas hineingeritten. „Für viele ist das Ausschlaggebende aber nicht die Frage der Schuld, sondern wie kann ich weiterleben, ohne künftig mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.“

Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass Horst Uwe Kraupner und der damalige Gefängnisseelsorger Martin Hagenmaier sich auf einem Pastorenkonvent begegneten. „Es war schon ungewöhnlich, einen Gefängnisseelsorger auf einem normalen Pastorenkonvent zu treffen“, erinnert sich Kraupner. Zu unterschiedlich der Arbeitsalltag und die Probleme. Doch in diesem Fall sollte gerade daraus etwas entstehen. „Er erzählte von all den Defiziten in Gesellschaft und Schule, die dazu führten, dass manche Menschen im Gefängnis landen.“ Aber wer habe schon Kontakt zu Insassen?

Menschen haben Berührungsängste mit Häftlingen

Die Idee für einen gemeinsamen Gottesdienst war geboren. Doch was ist eine Gottesdienstidee ohne Besucher? Und die waren auf beiden Seiten zunächst schwer zu begeistern. „Ich hatte wirklich Mühe, Leute dafür zu finden, und habe irgendwann den Seniorenkreis gebeten, doch mit ins Gefängnis zu kommen“, erinnert sich Krauper. Groß war die Angst vor dem Unbekannten. Auch seinem Kollegen sei es nicht leichtgefallen. „Die Bibelgruppe, die er leitete, hatte Angst, zu kommen und sich Moralpredigten anzuhören oder irgendwann draußen wiedererkannt zu werden“, erinnert sich Kraupner.

Doch es kam ganz anders. Beide Seiten waren sich näher als gedacht. „Beim nächsten Mal waren wir schon ganz viele“, sagt Kraupner. Seither besucht die Friedensgemeinde zwei Mal im Jahr die Insassen der JVA zu einem Gottesdienst. Einmal in der Passionszeit und einmal um den Reformationstag herum. Interessierte sind eingeladen mitzufeiern – jedoch nur mit vorheriger Anmeldung.

Heute backen die Besucher der Friedengemeinde Kuchen – ohne Mohn. Denn der kann die Drogentests verfälschen. Und er wird zuvor geschnitten. Denn Messer gibt es nicht beim Treffen im Gefängnis.

Weitere Informationen unter www.fg-kiel.de