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“Goodbye Julia” – Film zu Zeiten der Unruhen im Sudan

“Goodbye Julia” ist ein Drama über eine muslimische Sudanesin, die zu der Zeit von Unruhen den Tod eines Mannes verursacht und dessen Witwe und Sohn bei sich aufnimmt.

Die sudanesische Hauptstadt Khartum hat bis 2005 schon zwei Bürgerkriege hinter sich. Dann wird das Naivasha-Friedensabkommen unterzeichnet. Es ebnet den Weg in die Unabhängigkeit des Südsudan. Während im Süden mehrheitlich Christen leben, ist der Rest – und damit der heutige Sudan – muslimisch geprägt.

Dauerhaften Frieden hat das beiden Staaten nicht gebracht. Auch im Norden bricht 2023 erneut ein Bürgerkrieg aus. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Omar al-Bashir kämpfen Paramilitärs und die Armee gegeneinander. Wieder werden Teile Khartums zerstört. Ein Ende, das im Film von Mohamed Kordofani nicht mehr vorkommt.

Kordofani lässt die Erzählung des Films ihren Anfang am Tag des Ausbruchs der Unruhen von 2005 nehmen. Schauplatz ist zunächst ein gutbürgerliches Viertel der Innenstadt. Hier leben in einem solide gesicherten Haus die Sängerin Mona und ihr Mann Akram. Die beiden sind Nordsudanesen und Muslime. Mona tritt seit ihrer Hochzeit nicht mehr öffentlich auf. Ab und an allerdings schleicht sie sich aus dem Haus und besucht in einen langen Mantel gehüllt und mit Niqab heimlich ein Konzert in einem Musik-Cafe. Aus Angst, dass ihre Stimme erkannt werden könnte, tritt sie auch verhüllt nicht auf. Doch die Musik und der Gesang sind ihre Passion.

Parallel zur Geschichte Monas erzählt Kordofani die von Julia. Julia und ihr Mann Santino stammen aus dem Süden des Landes. Sie sind Christen und haben einen etwa fünfjährigen Sohn namens Daniel. Sie haben sich vor einigen Jahren in Khartum häuslich niedergelassen, werden bei Ausbruch der Unruhen von ihrem Vermieter aber aus ihrer Wohnung vertrieben. Sie finden vorerst Unterschlupf bei Santinos Schwester, die mit ihrer Familie in einer bescheidenen Baracke in einem Lager lebt.

Hierher verschlägt es Mona, als sie auf ihrem Heimweg von einem kurzfristig abgesagten Konzert in eine Straßensperre gerät und sie einen Umweg fahren muss. Ein kurzer Blick aufs Handy lenkt sie ab, so dass sie den auf der Straße spielenden Daniel anfährt. Ohne sich um den Verletzten zu kümmern, fährt Mona davon. Santino hat den Unfall beobachtet. Er folgt Mona. Dass diese ihrem Mann während der Weiterfahrt per Handy panikartig mitteilt, dass sie von einem “wütenden Südsudanesen” verfolgt wird, kostet Santino Minuten später das Leben. Den tödlichen Schuss abgegeben hat Akram aus einem kürzlich erst erstandenen Gewehr.

Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit sind im Arrangement ihrer Ehe nur bedingt vorgesehen. So verschweigt Mona Akram das Geschehene, und Santino wird als Unbekannter, der durch den Schuss eines gleichfalls nicht bekannten Schützen während der Unruhen ums Leben gekommen ist, in einer Massenbestattung beerdigt.

Julia aber sucht Santino und befürchtet nach einigen Tagen Böses. Mona versucht zuerst, weiterzuleben wie bisher, wird aber zunehmend vom schlechten Gewissen geplagt. Es gelingt ihr, Daniel und seine Mutter ausfindig zu machen. Sie gibt sich ihnen gegenüber als Unfallverursacherin nicht zu erkennen, bietet Mona aber eine Stelle als Haushaltshilfe an.

Als Daniel eingeschult wird, sorgt Mona dafür, dass er eine Schule im Quartier besuchen kann, und übernimmt das Schulgeld. Im Laufe des über Jahre geteilten Alltags entsteht zwischen Mona und Julia ein tiefes Vertrauensverhältnis, eine Art Freundschaft. Auch Akram und Daniel kommen miteinander nicht schlecht zurecht. Doch Lügen haben, und davon handelt der zweite, im Jahr 2010 einsetzende Teil des Films, kurze Beine.

Die Geschichte baut sich wie in einem Krimi um ein (vertuschtes) Verbrechen und dessen Klärung auf. Die Anliegen, die Regisseur Kordofani beschäftigen, sind aber andere: das soziale Gefälle innerhalb der sudanesischen Bevölkerung, ein darauf basierender Rassismus und der gesellschaftliche Umgang damit. Kordofani ist in Khartum aufgewachsen und kannte nach eigenen Angaben außer den Hausangestellten seiner Familie lange Zeit niemanden aus dem Süden des Landes. Er definiert diesen Umstand als “soziale Apartheid”.

Der Film ist eine Art Geschichtslektion, die auf den fatal miteinander verknüpften Schicksalen der Protagonistinnen aufbaut. Obwohl der Film in einer politisch bewegten Zeit spielt, werden historische Ereignisse darin nicht groß erläutert. Das macht es Zuschauern, die mit der politischen Geschichte der Region nicht vertraut sind, nicht unbedingt einfach.

Was Kordofani in seinem Film hingegen sehr eindrücklich vermittelt, sind Einblicke in eine muslimische Ehe, die getrennten und sich zugleich überschneidenden Lebensräume von Frau und Mann sowie die Lebensbedingungen von Christen und Muslimen. Die über alle gesellschaftlichen und konfessionellen Grenzen und Gräben hinweg entstehende Freundschaft zwischen den Frauen entpuppt sich als höchst fragil.

“Goodbye Julia” ist präzise inszeniert. Obwohl es hektische Momente inklusive einer Verfolgungsjagd gibt und der Krimi-Plot Spannung erzeugt, erzählt Kordofani ruhig und gelassen. Er gibt seinen Schauspielern, vor allem den beiden Hauptdarstellerinnen Eiman Yousif (Mona) und Siran Riak (Julia), viel Zeit und Raum für die emotionale Entwicklung ihrer Figuren. Fast so beiläufig, wie er das politische Geschehen schildert, beleuchtet er die Unterdrückung von Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft.

“Goodbye Julia” ist in der ineinandergreifenden Erzählung von Politischem und Privatem anspruchsvoll und wirkt dabei glaubwürdig. Ein gelungener Regie-Einstand, der vor dem Hintergrund aktuell weltweit zunehmender politischer Spannungen und kämpferischer Auseinandersetzungen ein Zeichen für Humanität und Versöhnung setzt.